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Normale Version: Braun L-310 Wandbox
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Hallo,

eigentllich kein Reparaturobjekt..... die Boxen hatte ich irgendwann mal als Beifang zu einer Braun-Anlage bekommen und - weil sie so schön flach sind - gleich mal hinter ein paar Kartons weggestapelt.

Es handelt sich um diese Kandidaten:

Gruß

Thomas


[Bild: IMG_4173.jpg]

[Bild: IMG_4174.jpg]

[Bild: IMG_4175.jpg]
Das Frontgitter kann man mit etwas Geduld und einem kleinen Schraubendreher heraushebeln, darunter sieht es dann so aus (die Dichtstreifen habe ich experimentell eingeklebt - einfach wegdenken).


[Bild: IMG_4171.jpg]

[Bild: IMG_4172.jpg]

Jahrelang dachte ich, da wäre noch so ein ganz alter Konushochtöner wie in den SABA-Boxen meiner Eltern drin - man sieht durchs Gitter erstmal nur den ovalen Ausschnitt in der Frontplatte. Ist aber falsch: Hochtonkalotte und Tieftonchassis mit 18cm und 6 Ohm. Beide sind von hinten an die Schallwand geschraubt - dadurch kann auch bei Remplern nichts passieren.

Die Frequenzweiche ist einfach gehalten: 12-dB-Filter für beide Chassis - der Hochtöner hat dazu noch einen Vorwiderstand. Innebilder habe ich vergessen - Aufregendes tut sich hier nicht, nur etwas Mineralwolle, die man gerne sofort wegwerfen möchte.

Gruß

Thomas
Die Einbausituation des Hochtöners ist nicht optimal: Zwar ist er einigermaßen weit weg von den Gehäusekanten, diese sind aber zeitüblich nicht abgerundet. Dazu kommt die versenkte Einbausituation mit einer weiteren scharfen Kante und eine Art "Hohlraum" in dem ovalen Auschnitt, in dem sich auch Interferenzen bilden können.

Das Volumen von geschätzt 8-10 Litern lässt keine Tiefbassorgien erwarten.


[Bild: l310_frequenzgang.png]

Wir sehen: Den üblichen Bassbuckel, wenn ein Tieftöner in einem zu kleinen Gehäuse eingebaut wird, dann einen zu den Mitten hin ansteigenden Schalldruckpegel. Hier profitiert der Tiefmitteltöner von der relativ breiten Schallwand, die man ja heute eher nicht mehr so baut. Ab 800 Hertz setzt schon das Bündelungsverhalten des Konus ein, das heißt, er wird untern Winkeln leiser. Deswegen kann man auch gut erkennen, dass der Hochtöner schon ab unter 2 Kilohertz eingesetzt wird - hier verschwindet nämlich das Bündeln wieder, weil ja das wesentlich kleinere Chassis hier wieder in alle Richtungen gleichmäßig abstrahlt.
Um 5 Kilohertz muss der Hochtöner ziemlich kämpfen: Das ist die Einbausituation mit Resonanzen. Nach oben hinaus geht es bis 20 Kilohertz, unter Winkel dann etwas weniger. Für meinen Geschmack könnte es bei 10 Kilohertz etwas weniger Pegel sein, aber wohlig-mumpfig klingt diese Box nicht!

Beachtlich bei dem schmalen Hemd ist der Wirkungsgrad, der im Mittel bei 90dB liegt! Und dabei liegt die Impedanz gar nicht so niedrig.




[Bild: l310_impedanz_phase.png]

Wie erwartet: Einbauresonanz bei 80 Hertz, Trennung auch elektrisch bei knapp unter 2 Kilohertz.

Auch in Sachen Belastbarkeit sieht es gut aus - bei 85 dB Durchschnittspegel spielt Klirr kaum eine Rolle - nur an der leichten k3-Erhöhung um 1500 Hertz sieht man, dass der Hochtöner schon an der Grenze betrieben wird.
Aber auch bei 95 Dezibel bleibt die Stelle unter einem Prozent - hier sieht man aber, dass allgemein die Belastbarkeitsgrenzen erreicht sind: Der Tieftöner fängt schon ein bisschen an, zu komprimieren.





[Bild: l310_mls_klirr85.png]

[Bild: l310_mls_klirr95.png]

Und auch das Wasserfalldiagramm zeigt keine störenden Resonanzen oder böse Nachschwinger.



[Bild: l310_mls_wasserfall.png]
So, dann habe ich mal ein bisschen angefangen, zu spielen. Zuerst wollte ich mal sehen (siehe oben), wie eine leichte Verrundung der Kanten um den Hochtöner hilft. Antwort: Gar nicht. Die Problemstellen verschieben sich zwar, bleiben aber vom Effekt her gleich lästig, Hier müsste man sich vielleicht mal einen einfachen Waveguide in das Oval hineinbasteln oder mit der Oberfräse den Ausschnitt zur Schallwand hin erweitern - mache ich irgendwann mal.

Wegen der Betonung um 10 Kilohertz habe ich mal was ausprobiert: Ein "Diffusor" vor dem Hochtöner, sprich eine kleine Knetmassenkugel auf das Gitter vor der Kalotte. HIer habe ich den anderen Lautsprecher verwendet, weil dessen Betonung bei 10 Kilohertz noch etwas ausgeprägter war.


[Bild: l310_frequenzgang_Box_2_Knete.png]

Man sieht: Die Senke um 5 Kilohertz fällt nicht mehr so dramatisch aus und der Peak bei 10kHz ist deutlich abgemildert. Dafür ist auf Achse der Superhochtonbereich etwas leiser.

Nochmal das Ganze unter allen Messwinkeln:



[Bild: l310_frequenzgang_Box_2_Knete_sin.png]

Licht und Schatten, würde ich sagen. Auf Achse ist es etwas linearer, unter Winkeln gibts dafür mehr und mehr Unruhe.... ich denke, ein Diffusor, zusammen mit der Verrundung der Schallführung für den HT und eine leichte Anpassung der Weiche sorgen dann für einen ruhigeren Frequenzgang. Eine Maßnahme alleine greift nicht.

Zum Schluss noch eine Anmerkung zur natürlichen Umgebung der Box: Die L310 ist laut - bis etwa 400 Hertz hinunter - dann verliert sie kontinuierlich an Pegel, macht dann zwischen 100 und 150 Hertz noch einmal einen Buckel, bevor sie sich verabschiedet.

Wir haben bei der L-530-Geschichte gesehen, dass es sinvoll ist, den Oberbassbuckel erst einmal geradezuziehen, bevor man den Wandeffekt nutzt, der die Box unterhalb von 500 Hertz kontinuierlich immer mehr "stützt", also habe ich nochmal 2 ABstimmungen Hochpasskondensator vor dem Tieftöner versucht: 680µF nimmt den Bassbuckel schön raus, ohne die tiefere Bassabstimmung großartig zu beeinflussen - kann man machen, wenn die Box NAHE an der Wand steht. Mit 470µF wird schon deutlich Pegel herausgenommen - man bekommt unterm Strich aber eine gleichmäßig fallende Flanke, die direkt an der Wand komplett wieder abgefangen wird.

[Bild: l310_bass_abstimmungen.png]

Fazit: Die Braun L-310 bekommt in spielfähigem Zustand für unter 30 Euro das Paar. Risiko hierbei ist der Zustand der Kondensatoren auf der Weiche. Wenn sie nicht malträtiert wurden, dann ist die Paargleichheit nicht schlechter als bei aktuellen billigen Lautsprechern, das Material aber besser.
Dazu kommt, dass sie mit ihrem extrem schlanken Fuß wirklich perfekt an die Wand passt und da (mit der kleinen Hochpass-Modifikation) einen wirklich guten Klang produziert, sogar mit richtig Bass. Der Hochtonbereich ist trotz der gemessenen Unruhe in Ordnung - man kann damit gut Musik hören. Wenn mir noch eine simple Maßnahme einfällt, die hier einen deutlichen Vorteil bringt, dann melde ich mich.

Gruß

Thomas
Für den Saba 8080, den ich aus Erstbesitz habe, gibt's auch zwei L-310 Flachboxen.
Leider ist bei beiden das Gehäuse hinüber, so daß ich um einen Neubau nicht umhin komme.
Das Gehäuse besteht aus dicker Hartfaserpappe, die nicht besonders widerstandsfähig ist, aufgeplatzte angestoßene Ecken.

Kannst du was zum Farbton sagen? RAL 9001 Cremeweiß?

Grüße

Wernsen
Eher 9002

Gruß

Thomas
hallo Thomas, mit welchem Gerät kann man so tolle Messungen machen?
was braucht man dafür alles?

Gruss
Hallo,

also Clio ist schon ein professionelles Messsystem, dazu kommt ein Microtech-Gefell-Messmikrofon und - vor allem - ein Messraum, der entweder schalltot ist oder so groß, dass die ersten Echos erst nach über 10 Millisekunden eintreffen.

Aber im Ernst: Für eigene Messungen reicht eine gute Soundkarte und ein USB-Messmikrofon, dazu gibt es ARTA oder REW als Freeware. Ein bisschen Einarbeitungszeit muss man sich aber gönnen.

Gruß

Thomas
Mal aus Interesse: Welche Glättung sollte man wann/wo anwenden?
Es kommt darauf an, was Du darstellen möchtest und wie Deine Messung nackt aussieht.

Ein Beispiel für eine MLS-Messung in meinem Messraum (die L-310, um beim Thema zu bleiben)

1. Messung mit voller Fensterlänge (683ms), das heißt alle Reflexionen und Resonanzen im Raum während der Zeit sind da mit drin.

[Bild: fg_unsmoothed.png]

Trotzdem brauche ich die Messung, um mir ein ungefähres Bild über das Verhalten im Bass zu machen, dafür brauche ich aber nicht die feine Auflösung, also

2. glätte ich auf 1/2 Oktave

[Bild: fg_smoothed.png]

3. Um die Box selbst beurteilen zu können, schneide ich alle Raumeinflüsse vor der ersten Reflexion an einer Wand ab, das reduziert das Messfenster auf etwa 12ms.

[Bild: fg_fenster.png]

Was jetzt noch bleibt, sind kleinteilige Reflexionen am Messaufbau, Mikroständer etc., also

4. glätte ich diese Messung auf 1/12-Oktave - dabei geht keine Information verloren.

[Bild: fg_fenster_1_12.png]

Wasserfalldiagramm: Gefenster, 1/12-Oktave, ebenso Frequenzgang mit gestuften Sinustönen und selbst einmessendem Messfenster.
Die Klirrdiagramme sind stark gesmootht.


Gruß

Thomas