Gestern waren zwei wirklich beeindruckende Kenwood-Brocken auf meinem Tisch, Vor- und Endverstärker aus der gleichen Serie, der vermutlich schönsten Serie, die jemals die Hallen der Marke Kenwood verlassen hat - ich meine die Serie Model 500, 600 und 700 von 1974 (dieses Entstehungsdatum Juni 1974 ist verbürgt, ich habe es vom Original-Manual - in Deutschland tauchten diese Geräte erst 1976 auf!). Diese Modelle standen in der Qualität, und natürlich auch im Preis, deutlich über den "normalen" Geräten wie Vollverstärker mit dem Namen KA-... oder Receiver KR... Diese Geräte bekamen, um sich deutlich abzuheben, zunächst nur als "Model...", später nannte Kenwood die Edelgeräte stets L... und nannte diese im Katalog Extra Dry, analog zu z.B. Sony (ES) oder Toshiba (Aurex). Alle diese Geräte stellten die Spitzenklasse dar, der Name "high-end" war noch nicht erfunden. Bei Kenwood hatte dies einen besonders triftigen Grund, denn zwei Jahre zuvor (1972) hatte einer der drei Brüder Kasuga die Firma verlassen und eine neue gegründet. Zusammen mit einem Kollegen, der von Sony kam, hatte er die Idee eine Hifi-Marke zu gründen, die nur noch Geräte der absoluten Spitzenklasse herstellte - kompromisslos. Die beiden nannten Ihre Firma Kensonic Laboratories, und orientierten sich an der Produktionsweise der amerikanischen Marke McIntosh. Sie nannten Ihre Geräte Accuphase - die heute jeder kennt. 1973 kamen die ersten Geräte auf den Markt T-100, C-200 und P-300 - und bei Kenwood musste man etwas tun, um dagegen zu halten. Die Antwort lautete 700T (Tuner), 700C (Vorverstärker) und 700M (Endstufe). Die Handschrift in den Geräten zeigt eine gewisse Verwandschaft:
Hier schauen wir in den geöffneten Vorverstärker, alles satte Bauteile vom Feinsten und völlig kompromisslos - man wollte Jiro Kasuga zeigen, dass man auch ohne ihn konnte.
Ebenso wie bei Accuphase wurden alle Platinen nochmals mit Blechhauben geschirmt.
Auch von aussen: eine solide Alufront, natürlich graviert (nicht bedruckt) und alles extrem solide gemacht.
Man achtete auch darauf, dass hier nicht der geringste modische Schnickschnack Einzug hielt, denn dies sollte den Anspruch auf die Ewigkeit unterstreichen. Die Knöpfe waren aus vollem Hart-Aluminium hergestellt und jeweils mit zwei Madenschrauben auf den Achsen befestigt. So ist es richtig! Der Volumeknopf wiegt knapp 400 Gramm!
Auch von hinten zeigt sich, dass man an alles gedacht hatte: zwei Phonoeingänge, beide zwecks Anpassung in der Impedanz umschaltbar, die Lautstärke des Kofhörerausganges extra regelbar, zusätzlich Tuner, dreimal AUX und zweimal Tape und noch zwei Ausgänge für Endstufen, wenn das nicht ausreichend ist?
Die Endstufe musste erst einmal instandgesetzt werden, denn hier war ein Endstufe komplett abgebrannt. Aber dann zeigte sich der 27kg-Brocken von seiner schönsten Seite:
Hier die beiden Siebelkos mit je 22.000µF/80V mit den Abmessungen von Hundefutter-Konservendosen, rechts daneben der 20A-Gleichrichter - beides gewaltig!
Blick von oben in das offene Gerät, allein der Trafo bringt rund 5 kg Gewicht auf die Waage - er kann 1200W-verarbeiten!
Hier ein der beiden Endstufen-Kühlkörper. Im Original waren dort 2SB554 und 2SD424 von Toshiba verbaut, ich habe die sechs Endtransistoren durch MJ21195 und MJ21196 ersetzt, natürlich nur Original-ON Semi.
Wie beim Vorverstärker werden auch hier alle Baugruppen einzeln mit Blechdeckeln abgeschirmt.
Von aussen ein Riesentrümmer, auch die (dimmbare) Beleuchtung wurde komplett erneuert.
Ein sehr schlichtes, aber vornehmes Design und extrem hochwertige Verarbeitung kennzeichnen dieses Gerät.
Die goldene Beschriftung von innen am Glas wird indirekt beleuchtet - sieht großartig aus und bildet zu dem hellen türkis der beiden riesigen Leistungsanzeigen (nur in dB, wie beim Vorbild der P-300) einen herrlichen Kontrast.
Auch hier die vollen Hart-Aluknöpfe.
Hier wurden stolz die technischen Daten aufgedruckt, damit eines klar war: die Daten der Accuphase P-300 wurden in jedem Punkt übertroffen!
Hier die Rückseite der 700M, zwei (von vorne umschaltbare) Eingänge und drei Boxenpaare können angeschlossen werden. Doch, was ist das kleine Schild da unten links am Gerät??
Oha! Da hatte ich dieses Gerät vor 24 Jahren schon einmal in Arbeit - eine Reklamation sozusagen!
Meine ehemalige Firma hi-fi-werkstatt (von 1986 bis 2006) war unter anderem Kenwood-Vertragswerkstatt und hat insgesamt knapp 300.000 Geräte in den 20 Jahren bearbeitet. Schön, so etwas dann mal zufällig wieder zu finden.