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Audio Reflex TK-72
#1
Dieser Receiver von etwa 1970 stammt von einer Vertriebsfirma namens "ags", der offizielle Markenname war Audio Reflex. Es gab mehrere Geräte, darunter Verstärker, Tuner, Plattenspieler, Kassettendecks und eben Receiver, auch zugekaufte Lautsprecherboxen waren im Angebot. Solche unbekannten Marken waren stets gern gesehen bei Hifi-Händlern, weil man damit preiswertere Angebote machen konnte als mit den Geräten der etablierten Marken. Gefertigt wurde übrigens bei Inkel Electronics in Korea oder bei Rotel in Japan - im Auftrag von ags.

Diese TK 72 von Ivo ist aus Korea und ist ansich sehr gut erhalten. Leider lässt die gesamte Qualität doch ein wenig zu wünschen übrig. Offenbar war man so früh bei Inkel noch nicht soweit, dass man die routinierte Qualität der späteren Produktionen für das eigene Label "Sherwood" (gekauft in den USA) und auch der Auftragsproduktion für andere namhafte Hersteller wie Kenwood und Denon liefern konnte.

Als der Receiver von Ivo hier ankam bot er zunächst ein etwas zurückhaltendes Bild.

[Bild: TK-72-Front-montiert.jpg]

Der Senderwahlknopf fehlt hier schon, weil ich ihn abgenommen hatte, da die Senderabstimmung sich schon sehr merkwürdig anfühlte.
Der Grund dafür lag in der Schwungmasse hinter der Front. Diese ist von der so genannten Zinkpest befallen, von der viele zinkhaltige Legierungen nach vielen Jahren betroffen sind.

[Bild: TK-72-Zinkfra-2.jpg]

Da wird das Material spröde, was man an den Rissen erkennen kann. Problem: die beiden Schrauben, die die Schwungmasse auf der Messingachse fixieren sollen, halten nicht mehr und die Schwungmasse wandert beim Drehen hin und her, was zu unschönen Geräuschen und einem komischen Gefühl in der Hand beim Abstimmen der Sender führt.

[Bild: TK-72-Zinkfra-1.jpg]

Abhilfe konnte dadurch geschaffen werden, dass ich eine dritte Bohrung in die Schwungmasse setzte und zwar bis in die Messingachse hinein und dort eine Blechschraube hineindrehte. Das sollte noch einige Jahre halten.

[Bild: TK-72-Powerswitch.jpg]

Merkwürdig, ja fast einzigartig ist der Power-Schalter an diesem Receiver: unten ist tatsächlich ON, oben dafür OFF - bei allen anderen Marken ist der Netzschalter um 180 Grad anders herum montiert! Die Ähnlichkeit zu Schaltern von bestimmten Yamaha-Geräten wurde bereits hier im Forum diskutiert, sie finden sich auch an anderen Modellen der Marke Audio Reflex by ags.

[Bild: TK-72-Knallfrosch-alt.jpg]

Am Netzschalter fand sich ein Impulskondensator der Marke Rifa (made in Germany) - in Old-Fidelity-Kreisen auch als Knallfrosch verschrieen. Auch an diesem Exemplar zeigten sich schon Risse.

[Bild: TK-72-Knallfrosch-neu.jpg]
Dieser wurde gegen einen modernen X2-Kondensator ausgetauscht, da dürfte keine Gefahr mehr bestehen.

Das nächste Problem das sich zeigte, waren die Zeiger der Meter, als die Beleuchtung von Skala und Metern erneuert wurde. Die rote Farbe löste sich vom Zeiger und blätterte in kleinen Krümeln ab.

[Bild: TK-72-Meter-vorher.jpg]

Das passiert häufig bei vielen Marken und liegt wohl am verwendeten Lack - ist ja bei Autos auch so, die roten Lacke sind am empfindlichsten im Alter. Da hilft alles nichts, alter Lack herunter...

[Bild: TK-72-Meter-blank.jpg]

...und dann neuen drauf:

[Bild: TK-72-Meter-nachher.jpg]

Natürlich wurden alle Schalter und Potis gründlich gereinigt, anschließend versiegelt.

[Bild: TK-72-Front-demontiert-gesamt.jpg]

So schaut der TK 72 ohne Frontplatte aus. Eine Merkwürdigkeit betraf noch die Kopfhörerbuchse. Nach Ivos Aussage käme dort kein Ton heraus, kam aber, wenn auch relativ leise. Aber weil es keine Stellung Speaker OFF am Selector gibt, habe ich auf Speaker B geschaltet und die Lautstärke hochgedreht - und die Kopfhörer gaben saubere Töne von sich. Wenn der user nun aber zwei Paar Lautsprecher angeschlossen hat und gerne über Kopfhörer hören möchte - wie macht er das dann, ohne dass ein Paar Boxen mindestens laut mitdröhnt? Die Lösung ist recht einfach: in der Kopfhörerbuchse sind Kontakte eingebaut, die die Lautsprecherwiedergabe unterbrechen, sobald ein Klinkenstecker in die Buchse eingeführt wird. Dies geschieht allerdings nur für Speaker B - für Kopfhörerwiedergabe also bitte einfach Speaker B anwählen und egal, ob dort etwas angeschlossen ist oder nicht - man kann über Kopfhörer hören in aller Stille nach aussen. Übrigens soll man nur Lautsprecher mit mindestens 8 Ohm anschließen, laut dem Hinweis auf der Rückwand des Gerätes. Vermutlich ist dies nur vorsichtshalber angegeben, da die beiden Boxenpaare in Stellung A+B parallel arbeiten.

[Bild: TK-72-Meterbeleuchtung.jpg]

So schauen die Meter mit der neuen Zeigerlackierung und der neuen Beleuchtung nun aus.

[Bild: TK-72-Skala-Input-Anzeige.jpg]

Auch die Skala wurde innen und aussen gereinigt und neu beleuchtet. An der Eingangsanzeige war nur die FM-Lampe durchgebrannt. Auch der Skalenzeiger hat eine neue Lampe bekommen.

[Bild: TK-72-Empfangsteil.jpg]

Das ist das Empfangsteil, welches leider auch nicht die seinerzeit übliche Qualität der Alps-Empfänger der japanischen Konkurrenz innehat.
Es wird alles empfangen, jedoch ohne Mutingmöglichkeit und auch nicht so ganz verzerrungsfrei. Insgesamt geht es aber. Gut tut man daran bei der Senderwahl einen leichten Zug weg von der Frontplatte am Tuningknopf auszuüben, dann geht es fast geräuschlos. Das FM-Teil erhielt einen Neuabgleich, nachdem der Drehko gründlich gereinigt wurde.

[Bild: TK-72-Endstufe.jpg]

Als Endtransistoren finden hier TIP31A Verwendung, keine üblichen Japan-Transistoren, die sich in den anderen Bereichen des Gerätes überall finden lassen. Die Endstufe arbeitet dennoch mit Plus-/Minus-Spannungen und ohne Ausgangselkos.

[Bild: TK-72-Vorverst-rker.jpg]

Die Verstärkerplatine sah nicht nur übersichtlich aus, es gab auch nichts, was man hätte auswechseln müssen - lediglich ein wenig nachlöten.

[Bild: TK-72-unten-komplett.jpg]

So sehen die Platinen von unten aus (nach dem Nachlöten und einer Reinigung mit LR). Die vordere Platine mit den Potis und Schaltern lässt sich mit drei Schrauben leicht ausbauen - sehr servicefreundlich (kennt man so z.B. von Pioneer). Die blauen Kabel links im Bild sind tatsächlich von Werk aus dort, man hatte eine Schaltungsänderung mit Leiterbahnunterbrechungen und eben diesen Kabeln vorgenommen.

[Bild: TK-72-Skala-l.jpg]

Nach der Reinigung der Frontplatte und der Knöpfe präsentierte sich der TK 72 wieder beinahe im Neuzustand.

[Bild: TK-72-Skala-r.jpg]

Auch von hinten kann der sich wieder sehen lassen.

[Bild: TK-72-R-ckwand-l.jpg]

[Bild: TK-72-R-ckwand-r.jpg]




Nachdem alles erledigt war kam der Receiver auf unseren Fototisch und wurde im "hifi-wiki-style" fotografiert.

[Bild: Audio-Reflex-TK-72.jpg]

Nun kann er zum Ivo zurück, der ihn für einen Kollegen zurechtmachen ließ. Viel Spaß damit!
Beste Grüße
Armin

gewerblicher Geraffelrestaurator - arbeitet seit 1969 in der Hifi-Branche
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#2
danke fürs Vorstellen. Zu
Zitat:Lösung ist recht einfach: in der Kopfhörerbuchse sind Kontakte eingebaut, die die Lautsprecherwiedergabe unterbrechen, sobald ein Klinkenstecker in die Buchse eingeführt wird. Dies geschieht allerdings nur für Speaker B - für Kopfhörerwiedergabe also bitte einfach Speaker B anwählen und egal, ob dort etwas angeschlossen ist oder nicht - man kann über Kopfhörer hören in aller Stille nach aussen.

da ist ja wirklich eine schräge Lösung, und an der Front nicht ein kleinster Hinweis bei B auf den KH Betrieb... Wird wohl in der BA gestanden haben...
Schönes WE!  Drinks
"We learned more from a three minute record than we ever learned in school" , Bruce Springsteen in "No surrender" played als Song 2 im Mai 2013 in Hannover Dance3 Dance3
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#3
Herzlichen Dank für diesen ausführlichen und erhellenden Bericht, Armin.

Das mit der KH-Buchse ist tatsächlich seltsam, habe ich so noch nie erlebt. Als der Receiver, den ich auf Willhaben entdeckt hatte, bei mir im Büro stand, probierte ich alles aus, auch mit Kopfhörer, aber nur in "Speaker A"-Stellung - und da schien die Buchse tot.

Darauf muss man erstmal kommen, dass der KH nur in "Speaker B"-Stellung korrekt mit Signal beliefert wird.

Außerdem schien bei meinem Test der linke Kanal ebenfalls tot. Du schriebst mir jedoch, dass dieser ganz normal funktioniere - was kann da los gewesen sein? Ich habe alle möglichen Quellgeräte angeschlossen und ausprobiert, bei keinem kam links ein Signal.

Im Übrigen finde ich es einfach genial von euch, dass ihr sogar solche Arbeiten wie das Nachlackieren von Instrumentenzeigern vornehmt... Thumbsup

Oder das Improvisieren in Sachen Senderwahlknopf - große Klasse.

Dass der Audio Reflex kein "High End"-Gerät ist, war mir schon klar - aber er ist derart selten und vor allem so hübsch anzuschauen, dass ich ihn unbedingt haben wollte und retten lassen musste.

Mein Kollege Martin kann sich jedenfalls schon mal auf einen schönen und voll funktionsfähigen, klassischen 70er-Receiver freuen...

Danke sehr nochmals für diese nachvollziehbar aufwändigen und professionellen Arbeiten - und den Bericht hier.

Alles Gute weiterhin - liebe Grüße aus Wien, auch an Lennart.

P.S.: Der nächste Patient geht dann nächste Woche auf die Reise nach Niemegk...
 Pult ist Kult - und Tool ist cool...  Headbang
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#4
Die KH-Buchse funktioniert auch in Stellung A, aber dann plärren die Lautsprecher mit und man traut sich nicht, so laut zu machen. Die B Lautsprecher werden durch das Einstecken des Kopfhörers in die Buchse an der Front abgeschaltet.
Beste Grüße
Armin

gewerblicher Geraffelrestaurator - arbeitet seit 1969 in der Hifi-Branche
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