Künstler sind sehr viel häufiger als "normale" Menschen auch etwas seltsame Wesen. Sie empfangen mehr Information und verarbeiten sie auch anders. Sie ticken anders als der "gewöhnliche" Konsument, manchmal nur ein bisschen und/oder nur eine gewisse Zeit, manchmal aber auch ihr ganzes Leben lang.
Und von Gerald Hüther wissen wir schließlich, dass das Gehirn nicht gern lernt, sondern viel lieber bei einmal gelernten Mustern bleibt.
Das wird mit zunehmendem Alter auch nicht besser, denn die neuronale Plastizität, also die Fähigkeit, neue synaptische Verbindungen zu schaffen, nimmt mit ihm ab.
Man kann zwar aktiv dagegen steuern, das macht aber kaum jemand, weil kaum jemand etwas darüber weiß und weil man das auch erst mal wollen muss. UND weil, wie gesagt, das Gehirn auch alles dafür tut, in seinen Mustern zu bleiben und die einmal gebildeten Verbindungen nicht nur zu erhalten, sondern auch vorrangig zu benutzen - und sie damit nur weiter zu stärken.
Das ist etwa wie ein Trampelpfad von der Bushaltestelle über den Rasen...irgendwann wächst das Gras nicht mehr neu, dann kommt die Stadt und pflastert ihn. Dann kommt eine Strassenlaterne dazu, dann eine Parkbank, dann noch ein Papierkorb. Alternativen werden immer unbequemer.
Gerade dieses Forum, welches auch die augenfälligsten seelischen Abgründe nicht beschneidet, spricht beredtes Zeugnis davon. Nach wie vor ein großartiges psychologisches Experiment. Gäbe es das nicht, man müsste es erfinden. Ein bisschen wie "Die Welle", Ash, Solomon und Milgram auf einmal, nur eben über Jahre.
Künstlern geht das mit den Mustern natürlich oft genauso, sie sind auch nur Gehirnträger - aber öfter als Normalos eben nicht. Sie sind und bleiben quasi "in Übung".
Und selbst die Kreativität kann sich so zu einer Art Muster entwickeln. Das dürfte zB auf Herrn Waters zutreffen und wäre dann das, was vom "normalen" Beobachter als Starrsinnigkeit verurteilt wird. Aber in Wirklichkeit bleibt er in Übung, sich somit einfach nur treu und steht dafür auch ein. Zur Not vor dem Sicherheitsrat der UN - und eben nicht nur auf dem vollgefurzten Stuhl vor einem Rechner, auf dem "Forum" läuft.
Was für den Beobachter aber noch gefährlicher wird - zeigt es ihm doch ungeschönt seine eigene, nach der Jugend immer weiter verlorene Kreativität und Spontaneität auf.
Das alles passiert natürlich unbewusst.
Aber es stellt sich ein Unwohlsein ein, mit der Folge, dass kontinuierliche Weiterentwicklung (zB künstlerische bei den Helden der Jugend) nicht gern angesehen wird. Klar, dass man sie also vordergründig bei Anderen ablehnen muss, um den Verrat des längst eingetretenen Stillstandes an sich selbst nicht ansehen, also zugeben zu müssen.
Dann kommen solche Aussagen zustande von dem überschrittenen "künstlerischen Höhepunkt".
Vorgetragen mit einer Attitüde, als würde es sich um objektive, also zweifelsfrei beurteilbare Wahrheit handeln - wobei jedes Wort davon nur im eigenen Kopf zu einer Realität wird und natürlich nirgendwo sonst.
Das nennt man dann "Meinung" oder "Standpunkt" (was mit Objektivität natürlich nichts zu tun hat) und denkt, das würde die eigene Persönlichkeit ausmachen. Damit man von anderen eingeordnet, aber am besten natürlich geliebt werden kann. Wieder geht es um Beurteilung - in diesem Falle um die der eigenen Person durch andere.
Man identifiziert sich also mit Standpunkten und Dogmen, die per definitionem immer von gestern sind (weil gestern gelernt), also niemals etwas mit der aktuellen Wirklichkeit zu tun haben - und verpasst dabei das Wichtigste, nämlich seine authentische
Identität.
Der Identität allerdings wäre Meinung völlig egal, sogar die eigene. Sie braucht nicht mehr als das Bauchgefühl des Moments.
Meinung wird nur von der
Identifikation gebraucht, das ist aber etwas völlig anderes als Identität.
In Wahrheit handelt es sich bei dem "künstlerischen Höhepunkt" somit um den des Konsumenten, meist in einer bestimmten jugendlichen Phase, in welcher der Künstler da einen resonanten Nerv getroffen hat.
Im Gegensatz zum Künstler, bleibt der Konsument dort aber stehen und biegt dann in der Folge doch völlig anders ab als er sich das in der resonanten Phase erträumt hat. Er ist mit zunehmender Einbindung in "normale" gesellschaftliche Prozesse und Bahnen (Beruf, Familie, Urlaub, Haus, Kreditabzahlung usw.) immer weniger in der Lage, der anhaltenden Kreativität des Künstlers zu folgen und lehnt sie schlussendlich sogar ab. Unbewusst wird er davon gesteuert, dass Zustimmung ihn gefährden würde, weil er sich sonst klar machen müsste, dass er selbst es ist, der seinen kreativen Höhepunkt überschritten hat.
Ergebnis: "Früher war alles besser !"
Was schon immer Bullshit war. Bei uns nicht weniger als bei unseren Eltern und Großeltern.
Sich aus diesem verrückten Schwachsinn zu erheben, erfordert Willen und Arbeit, und zwar jahrelang (alternativ einen Schicksalsschlag, der zu Veränderung zwingt). Und damit das Einreißen aller angelernten Dogmen und Glaubenssätze. Das eigene Gehirn und seine Muster sind dann erst einmal vor allem Anderen die mächtigsten Gegner überhaupt.
Kaum jemand versteht nur den einfachen Ansatz, er sei nicht seine Gedanken. Allein das zu begreifen erfordert ja schon die ersten, sehr rückschlagbehafteten Jahre der Bewusstwerdung. Und wer nimmt sich dafür schon die Zeit ?
Da ist im Forum rummotzen, somit immer im Außen, also in Be- bzw. Verurteilungen zu denken, vor allem aber mit dem Finger auf Andere zu zeigen, die wesentlich komfortablere Vorgehensweise.
Und das Gehirn liebt diese Zementierung seiner Glaubenssätze und Komfortzonen zur Selbstbestätigung.
Ahow.
Und nun freu ich mich als PF-Hasser, als der ich hier angesehen werde (aber gar nicht bin) auf diese besagte Neueinspielung.
Sie wird ganz sicher irgendwas mit mir machen, und darauf bin ich total neugierig.
Denn: Alles ist möglich.
Vor allem vermutlich, dass sich irgendwer in seiner Identifikation angegriffen fühlt...obwohl das in echt nie erfolgt ist.