(31.08.2016, 20:42)space daze schrieb: [ -> ]Moin,
um es gleich klarzustellen:
Hier geht es um etwas, dass man am besten als das prägende Album bezeichnen könnte: Eine LP, die Dich musikalisch in die nächste Ebene geschossen hat, die Dir Welten öffnete...
Na das ist ja mal ein Thread, der schon lange überfällig war. aber umso weniger versteh ich die verhaltene Reaktion...
(31.08.2016, 20:42)space daze schrieb: [ -> ]Ich glaub, es ist das, was der Außerirdische heutzutage bei den komischen GOA-Trance sucht...
Gar nicht schlecht, Peter, es ist ungefähr das, was man hier in deinem Post finden kann:
Aber das ist ja bei mir das ausleben von etwas, das ich damals "im Original" verpasst habe. Insofern aber wieder auch nicht schlecht, als dass ich die ehemals dazugehörige Musik in weiten Teilen bis heute nicht leiden kann. Dieses Hippiegesäusel liegt mir einfach nur sehr selektiv. Joan Baez, Neil Young, Bob Dylan und Joe Cocker werden nie meine Freunde. Und auch nichts von dem, was auch nur ansatzweise in die Richtung geht. Hab ich also direkt Glück, dass es das heute in dem Rahmen gibt, auf den ich musikalisch nunmal geprägt bin.
Wobei wir dann beim Threadthema wären: Was ist denn eigentlich mein Rahmen ?
Wusste ich lange nicht, weil ich so breit aufgestellt bin. Ich musste das erst beruflich machen, bis ich den Zusammenhang begreifen konnte:
Es ist die Qualität der musikalischen Produktion. Und damit meine ich nicht die Klangqualität, sondern die Akribie, mit der Menschen sich künstlerisch äußern.
Und das fing - natürlich - hiermit an:
Und hatte mich endgültig - soll heißen: für immer und ewig - hiermit:
Album: ABBA - Arrival
Natürlich wusste ich damals in keinster Weise, warum mich das so anmacht - heute verstehe ich es dafür umso besser (meine ABBA addiction ist hier ja auch bekannt, also auch, wozu sowas führen kann...)
Aber kurz gesagt, hat es noch fast zwei Jahrzehnte gebraucht, bis ich begriffen hatte, was für ein Level an musikalischer Höchstleistung ich mir da als Maßstab rausgesucht hatte, sowohl kompositorisch, produktionstechnisch und verwirklicht mit einer Armada an Weltklassemusikern auf bisher ungehörtem Niveau.
Was hinter diesen Produktionen steckt, hab ich erst rausgefunden, als ich selber angfangen habe, zu produzieren. Was es bedeutet, etwas so klingen zu lassen, als wär's ganz einfach. Was es braucht, um überhaupt in solche Gefühle zu kommen und die dann auch noch umgesetzt zu bekommen.
Hätte demnach alles nix genützt, wenn die nicht auch noch ihr Gefühl in diesen im höchsten Maße Bach-inspirierten Meisterwerken untergebracht bekommen hätten.
Gute Musiker, gute Produktionen gibt's zuhauf. Aber bei Dream Theater muss ich eben trotzdem kotzen, das ist Musik für die Muckerolympiade, aber wer will sowas schon hören ? Jedenfalls keine Milliarden Menschen, so wie bei ABBA.
Produced by: Björn, Benny and Micke Tretow, dem kongenialen Toningenieur. Studio: Erst Marcus und Metronome, dann Polar, Stockholm
Der nächste Einschlag kam dann im Sommer '79.
Album: the B-52's
Und im Herbst dann auch gleich das Konzert in der Markthalle. Da hat Cindy doch den Bass auf einem Synthesizer gespielt: Eine neue Welt ! Das geht ? Was für eine Bassgewalt, unfassbar.
Wo ist da jetzt der Zusammenhang zu ABBA ? Das ist einfach, jedenfalls in der Retrospektive: Es ist der Satzgesang von Cindy und Kate, der ebenso ausgefeilt daherkommt wie der von Agnetha und Anni-Frid. Und die Konsequenz in der Produktion, die sich speist aus einer künstlerischen Unvermeidlichkeit, Stilsicherheit und dem unbedingten Willen, ein Publikum zu unterhalten. Hammer-Songwriting außerdem. Produktion 1+, nicht zuviel und nicht zuwenig und alles exakt auf den Punkt.
Produced by: Chris Blackwell, dem Island-Chef persönlich. Studio: Compass Point, Nassau.
Schlag auf Schlag ging's dann, Gary Numan, Human League, die ersten eigenen Synthies, eigentlich hab ich alles gehört, wo irgendwas Elektronisches drin war. Viel davon ist von mir gegangen, Weniges ist geblieben.
Unter den Elektronikern waren natürlich auch YMO, die bei mir damals, ebenfalls in der Markthalle, aber 1980, nochmal so einen
Entschuldigung, ich muss mal gerade kurz meine Kinnlade vom Boden aufsammeln-Effekt verursachten wie Cindy an ihrem Moog Taurus.
Dieser Trommler, der ja auch der Sänger war, hat mit einer Präzision gespielt, die beängstigend war und mich derart gefesselt hat, daß ich von dem Rest des Konzerts eigentlich gar nichts mitbekommen habe. Ein Uhrwerk ist nichts dagegen gewesen, das war eine Maschine, gnadenlos, zieht durch bis man den Stecker zieht. Kraftwerks Maschinen waren dagegen waberig wie Pudding.
Sowas hatte ich noch nicht gesehen - aber mir war klar, dass so Schlagzeug sein muss, wenn man was werden will: Präzise, nach vorne und timingfest wie eine Rubidium Clock (obwohl ich die damals noch nicht kannte). Es hat über 10 Jahre gedauert, bis ich wußte, warum der beim Spielen einen Kopfhörer trug...
Meilenstein Nr. 3, 1982: "The sweetest melody is an unheard refrain."
Album: ABC*** - The Lexicon Of Love
Und wieder erst retrospektiv erkannt, warum. Ich scheine auf Pop zu stehen, aber eben auch nur, wenn er intelligent gemacht ist.
Und das war tatsächlich die erste Pop-Produktion, die das aus Schweden vorgebene Niveau erreicht hatte, aber auch den technologischen Fortschritt im Studio auf den Punkt definierte - und zwar wie vorher ABBA für Jaaaahre, die kommen sollten. Oder sogar für Jahrzehnte, wenn man's genau nimmt, denn...gab's seitdem irgendwas im Pop, das dem das Wasser reichen konnte ? Ok, Einschränkung - ich muß den Produzenten nennen...
Produced by: Trevor Horn. Studio: SARM
Also: ...irgendwas, was nicht von Trevor Horn kam ?
Nee. Gab's nicht und gibt's nicht. Frankie kamen von Trevor Horn und Seal auch.
Das Niveau, der Aufwand wurde nur im SARM gehalten. Scheiss auf die Amis, die haben komplett verloren, da kam nix, gar nix.
Allenfalls ging's wieder Ping-Pong-mäßig nach Schweden zu Roxette, für die war ich dann aber längst zu alt. Aber jedenfalls haben sie Pop verstanden (und extrem gut bei ABBA hingeschaut).
NB: Im Dezember kommt Martin Fry mit dem, was ABC*** heute ist, auf Tour - und Olli und ich gehen natürlich hin.
Und ich geh NIE zu diesen Dinosaurierkonzerten, um mir den Eindruck nicht zu versauen. Das neue 2016er-Album ist demnach also so gut, und Martin Fry derart in Würde gealtert, dass es nix versauen kann.
Schön auch die Videozitate, toll, die beiden hintereinander zu haben.
1984 dann kam's ganz anders, aber auch hier ist heute der gemeinsame Nenner die aufwendige Produktion, was vor allem den Gesang, aber auch die Gitarrenarbeit anbetraf.
Album: Cocteau Twins - Treasure
Die und ein ganzer Haufen Ähnliches aus dem Hause 4AD war dann jahrelang mein Hauptaugenmerk. Was auch der Grund ist, daß ich ebenso alle Dead Can Dance Vinyls habe, und zwar im englischen Original. Ich hab die '85 live hier im kir gesehen und nicht erst 10 Jahre später mit dem Soundtrack zu Gladiator oder 'ner VW-Werbung entdeckt. Cocteau Twins sind heute immer noch bei mir, genauso wie DCD, wobei ich mich von Lisa Gerrard, die mir immer schon ein bisschen auf den Geist ging, getrennt habe. Dafür wird Brendan Perry mit jedem Album immer noch besser als er eh schon immer war.
Produced by: John Fryer. Studio: Blackwing.
1989 war's dann soweit, daß die Elektronik endgültig zu gewöhnlich, die Gitarren zu ausgestorben und die Drumcomputer zwar anders, aber immer noch nicht besser klangen als 1982. Aber eindeutig alles zu sehr ausgewrungen und aufgekocht.
Und genau da kommt mir der hier in die Quere...
Album: Lenny Kravitz - Let Love Rule
...und eröffnete mir denn auch in Folge das gesamte Prince-Universum vor Purple Rain, das bis dato komplett an mir vorbei ging.
Und den ganzen Rotz, Dreck, Brumm und Rauschfahnen, der musikalischen Ereignissen auch mal ganz gut tun kann. War schließlich die Zeit des Digtalhypes, der mir damals schön gehörig auf den Sack ging. Rausch- und knackserfreie Musik - wer braucht denn solchen Scheiß ???
Und der stellt sich genau in dem Moment einfach hin, reißt den Amp auf und zieht mit dem Kompressor noch das Röhrengemöhre, -geklingel und -geschepper hoch, bis auch wirklich der letzte Transistor der Signalkette im Studio endgültig aus seiner Linearitätskurve geworfen ist. Und spielt vollkommen schmerzbefreit Gitarristenschlagzeug, was normale Trommler nur mit Gipsarm hinbekommen. Außer natürlich, man ist Cindy Sherman
:
(unbedingt die Albumversion zu Hause anhören und auf die Ampgeräusche achten)
Ganz großes Kino - und meine nächste ewige Inspiration: Man darf auch Krach !
Produced by: Lenny Kravitz. Studio: Waterfront.
Tja...und dann...90er. Das große musikalische Nichts. Ok, ab und zu neue Alben von Prince, Lenny, Prefab Sprout, und, jaaa, Grunge, Seattle, Nirvana...und jaaaa, auch Portishead, Massive Attack, der Twist von EBTG und der ganze Bristolkram. Und ja, D'n'B, das hat mich sogar auch angemacht, nur: Ecki wird bei FFN rausgeschmissen und spätestens ab da krieg ich auch nix Interessantes mehr mit. Und ich sitz im Studio und muss House machen. Und komische hannoversche Bands.
I'm horny. Horny, horny, horny. Und Tom Jones...jaaa, war 'n Welthit. Und ja, klar kennt heute jede Hausfrau in Niedersachsen Won't forget these days und Radio Orchid. Und Sing It Back hat sogar die Trennung von Moloko besiegelt.
Und ich kann House ums Verrecken nicht mehr ertragen.
Einziges Highlight im Studio war - und das sagt schon viel - Phil Collins samt Band, Phoenix Horns, Chester Thompson und so, 1994 glaub ich.
Aber die 90er musikalisch und produktionstechnisch ? Brachland. Kein Einschlag.
Ein EINZIGES Album fällt mir ein, was sich getraut hat, soundmäßig vorsätzlich komplett aus der Art zu schlagen und dabei trotzdem die gewohnten Songwriting- und Produktionsqualitäten bereitzuhalten. Statt Einschlag sozusagen das 90er-Trostpflaster. Oder auch Bestätigung, dass ich das damals bei ABC*** zumindest alles richtig verstanden hatte. Ich erwähne es deshalb, auch wenn es eigentlich kein eigener Meilenstein war, sondern nur die Verlängerung:
Album: Seal - Human Being.
Bis heute ein Meisterwerk und sein bestes Album. Natürlich hab ich sofort vollständig analysiert, was die da im Studio getrieben hatten. Man lernt halt nur von den Besten.
Aber:
Produced by: Trevor Horn. Studio: SARM
Natürlich. Aber wie weit Onkel Trevor voraus war, war mir ja bereits seit über 10 Jahren klar. Immerhin war ich zu der Zeit so drin, dass ich den Laden und die Leute auch kennenlernen konnte und zu Hause selber vor 'nem SSL saß. Davon hätte ich besagte 10 Jahre früher natürlich nicht mal zu träumen gewagt.
Nur haben solche Produktionen in Deutschland keine Sau interessiert.
Ich trenne hier mal...sonst wirds endgültig unlesbar...geht aber weiter.
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