Hier wird natürlich die leichte Ungenauigkeit in der Formulierung des Threadtitels deutlich.
Studioboxen sind ja nicht gleich Studioboxen. Die 4310/11/12 sind im Gegensatz zu den die Diskussion auslösenden Teilen allesamt keine Farfields und sind für Wandeinbau genausowenig vorgesehen gewesen wie NS-10 oder Auratones. Die Bezeichnung
Monitor tragen sie trotzdem alle - wie auch (viel zu) viele HiFi-Boxen, die sich mit dem Begriff schmück(t)en.
Für mich ist Monitor auch eigentlich keine gute Bezeichnung, denn dabei kommt schnell immer der gleiche Einwand auf, daß sie doch alle unterschiedlich klingen, auch zum Teil nicht linear wären und wie das denn sein könne und warum das dann besser sei als jede andere beliebige Box...
Ja. Nein. Jein.
Das eigentlich Relevante, das die Dinger auszeichnet, ist die Verbreitung als Referenz - eher unabhängig vom absoluten Klangbild, das sie produzieren. Es geht bei einem Kontrollmonitor eben nicht um Hören, wie es einem am ehesten zusagt, sondern um Kontrolle. Die gelingt einem jedoch nur, wenn man sein Werkzeug und dessen Eigenschaften kennt, daher verbietet sich andauernder Wechsel. Ich hatte den Begriff "Lupe" in diesem Zusammenhang ja schon mal benutzt.
Und in puncto Verbreitung sind die 431x ziemlich lange ziemlich weit vorn gewesen, geschlagen wohl nur von den beiden oben schon angeführten Modellen.
Auch ein Grund, warum die Angeberboxen in der Wand so selten benutzt wurden - die klangen nämlich in jedem Studio so unterschiedlich, daß man sich daran nie gewöhnen konnte, zumal es auch, anders als bei den Nearfields, nie ein System gegeben hat, das sich signifikant mehr durchgesetzt hätte als andere.
Farfields sind eher so eine Mode- und Prestigegeschichte - Angeberboxen halt. In den 70ern waren es JBL und Urei, dann kam Westlake, in den 80ern dann Quested (die ersten, die auch ernsthaft erträgliche Töne produziert haben - mal
SEAL - Human Being darauf hören!), in den 90ern Genelec und heute sieht man viel Adam. Einen großen Teil ihrer Existenzberechtigung ziehen die Teile aus der Tatsache, daß man sowas auf dem Regiefoto und der Equipmentliste braucht - sie sind durch das jedem bekannte Preisschild eine deutliche Visitenkarte.
Da gibt es immer den lustigen Moment, den jeder Toni immer wieder erlebt, wenn er neu in ein Studio kommt und zum Kennenlernen der Hörsituation seine Referenzscheiben abspielt. Da steht meist noch ein Techniker oder der Studiobesitzer im Raum, für eventuelle Fragen zu Signalwegen, Colaautomat, Kaffeemaschine, Pizzabringdienst usw.
Irgendwann schaltet man also auf die Mains um, nur um die auch mal kurz gehört zu haben - man is ja neugierig.
Nach 30 Sekunden dreht man wieder leise und schaltet auf die NS-10 zurück. Gefolgt von verständnisvollem gegenseitigen Blickkontakt "naja, Farfields halt", wenn's der Techniker war. War's der Studiobesitzer/Geschäftsführer, kommt schon mal ein "Alter, geil, ne ?".
Trotzdem ist allen klar, daß sie schon tun werden, was sie sollen, nämlich wie nebenan schon geschrieben, Gerumpel und Phasenverhältnisse aufdecken (der Lupenbereich von Farfields ist eben Tiefton), nette Stimmung bei Bass- und Schlagzeugaufnahmen machen, den Eindruck der Mischung beim Abspielen auf einer Discoanlage simulieren - aber vor allem, "Alter, mach ma die großen!", den Honks von der Plattenfirma vorzuführen, wofür sie bezahlen.
Als richtig gut werden die Dinger schon angesehen, wenn sie, was leider eher selten vorkommt, wenigstens das Bild nicht zu sehr verändern, das man erarbeitet hat.
Das bedeutet, daß sie beim Umschalten in etwa die gleichen Verhältnisse wiedergeben, wie die Nearfields und nicht etwa plötzlich die Chöre in den Gitarren absaufen oder man nur noch Bass hört, wie das beim Umschalten auf HiFi-Boxen in der Regel passiert.
Viele Engineers passen sich die Trümmer denn auch tonal an ihre Nearfields an, um genau das zu vermeiden. Da Farfields meist aktive Systeme sind, ist das auch relativ problemlos zu bewerkstelligen.
Die Dynaudio M3 und M4 sind in dieser Hinsicht die besten, die mir je untergekommen sind - die klingen einfach wie eine erweiterte NS-10, da ändert sich so gut wie gar nichts, von der räumlichen Tiefe, die so große Teile nunmal prinzipbedingt nicht können, mal abgesehen.
Das Einzige, was sich gegenüber der NS-10 verändert, ist diese Anmutung der kleinen Kiste. Große Kiste hat einfach mehr Gewalt, weil mehr Luftbewegung. Es spielt souveräner, aber tonal und in den Verhältnissen fast völlig unverändert.
Schöne Anekdote in diesem Zusammenhang:
Als die M4 damals installiert wurden, bequemte sich der Herr Entwickler (Harry weiß bestimmt, wie der hieß) zur Einmessung aus Dänemark nach Hamburg - Installationssupport gehört bei jedem Farfieldkauf zum Service, wenn auch nicht notwendigerweise durch den Chef höchstselbst.
Es gab dann nach einiger Zeit eine vorsichtige Frage, die eigentlich ketzerisch daherkam, aber andererseits: Angesichts des entrichteten und durchaus als obszön zu bezeichnenden Kaufpreises war man als Kunde definitiv sowas von König, daß man sich nach einiger Überlegung doch traute, anzumerken, was der Kaufgrund für die M4 war: Die Tatsache ist, daß an der M3 schon aufgefallen wäre, wie wenig sich das Bild gegenüber einer NS-10 verändere und man das extrem hilfreich fände. *slapintheface*
Und anstelle einen Tobsuchtsanfall zu inszenieren ob dieser unter "normalen Leuten" offensichtlichen Majestätsbeleidigung, erhellte sich sein Gesicht und er meinte, daß genau das das Ziel gewesen sei und daß es ihn total freuen würde, das zu hören. Er wollte den Engineers "eine große NS-10" geben. Einen LS, der da noch weitermacht, wo die NS-10 ihre Grenzen erreicht.
Leider hab ich diese Story ausnahmsweise mal nicht selbst erlebt, sondern konnte sie mir, weil ich erst später in diesem Studio tätig wurde, nur erzählen lassen...daß sie stimmt, weiß ich allerdings von mehreren Seiten, nicht nur vom damaligen Besitzer, sondern auch von dem damals zuständigen Akustiker von ACM, mit dem ich Ende der 90er selbst schon ein Studio gebaut habe und seitdem in freundschaftlichem Kontakt stehe.
Daß der "Dänische Vorsatz" weitestgehend gelungen ist, kann ich jedenfalls bestätigen.
Das "Bild" ist
die relevante Gemeinsamkeit von guten Monitoren. Die mögen mehr oder weniger Bass haben, hier einen Buckel, dort eine Senke oder einen linealgeraden Frequenzgang haben, tönen aus Kalotten, Hörnern, Papier- oder Polypropylenmembranen, in Breitband-passiv oder 5-Weg-aktiv, in der Wand, auf Ständern davor oder auf dem Pult im Nahfeld. Natürlich klingen die nicht alle gleich !
Aber sie müssen das gleiche Bild wiedergeben. Einige tun das, die setzen sich durch - andere tauchen auf und verschwinden wieder. Welche Monitore seit Jahrzehnten benutzt werden, wissen wir nun alle. Die HiFi-Welt ist immer wieder entsetzt - aber auf dem Markt explodieren die Preise, nachdem die Produktion eingestellt wird. Die Modelle, bei denen das passiert, kann man an einer Hand abzählen: Auratone, JBL 431x, NS-10.
Diese drei LS kann man nebeneinander stellen, und obwohl sie völlig unterschiedlich sind und klingen, stellen sie das gleiche Bild dar - und zwar das richtige.
Ich nehme das Wort "Bild" absichtlich, weil man sich die Analogie eines Malers vorstellen kann, der mit seinem Farbkasten ein Bild malt - denn genau das tut man im Studio. Ein Lautsprecher, der das Bild nicht so wiedergibt, wie es gemalt wird, es verfälscht, läßt sich vergleichen mit dem Maler, dem man ohne sein Wissen eine farbige Sonnenbrille aufsetzt: Er wird die Farben falsch anmischen.
Woher weiß ich, daß ausgerechnet die NS-10 (JBL 431x/K+H/Dynaudio etc.) es richtig macht?, wird sogleich die unvermeidliche Frage sein...weiß ich doch.
Nun, die Antwort ist leicht.
Zum Einen stellt sie das Bild so dar, wie die davor übliche Referenz, zum Zweiten hat sich dreieinhalb Jahrzehnte ausreichend bewiesen, daß das damit erstellte Bild im Großen und Ganzen auch überall sonst so aussieht, wie es gemeint war. Die Farben können so falsch also nicht sein - jedenfalls um Größenordnungen besser als die Projektoren, durch die sie beim Konsumenten betrachtet werden.
Und man muß ja nicht jedes Rad dauernd neu erfinden - es ist kein HiFi, das Moden, geschmacklichen Vorlieben des Käufers und dem Gesetz des Wachstums unterworfen ist.
Abschließend bliebe noch festzustellen, warum Monitore ihre Aufgabe der Vergleichbarkeit häufiger erfüllen können als HiFi-LS:
Im Gegensatz zu Consumerprodukten ist ihr artgerechtes Umfeld relativ klar definiert.
Studios haben eine kontrollierte Akustik, während die Definition eines Standard-Wohnzimmers so gut wie unmöglich ist.
Einige Hersteller, ich meine, mich zumindest an Onkyo und Yamaha zu erinnern, haben das wohl versucht. Yamahas kenne ich einige, wenige davon sind kompletter Müll (selbst die heutigen Pianocraft nicht), zu Onkyo kann ich nix sagen, aber auch hier liest man immer wieder, daß einige ihrer LS nicht ganz so übel gewesen sein sollen.
Insofern scheint es keine allzu schlechte Idee gewesen zu sein.
Es ist jedenfalls eine weit bessere Idee als Freifeldmessungen, die mit der Umgebung, in der LS letztlich betrieben werden, absolut nichts zu tun haben und die ich daher für komplett irrelevante Zeitverschwendung halte.