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Zu sehen ist eine Philips Capella 753, Philips Spitzenmodell von 1955/56. (Ja die Zierteile an den Drehknöpfen fehlen, werden aktuell vergoldet)
Schaut man in den Schaltplan ist das Empfangsteil erstmal nichts besonderes, eher gehobene Mittelklasse der 50er.
Schaut man in die Endstufe wird man bemerken das Philips es geschafft hat 5 Röhren (6 Röhrensysteme) für den NF-Verstärker zu opfern, insgesamt hat der Empfänger 11.
Was haben die da nur gemacht?
Philips hat eine Zeit lang die Idee verfolgt eisenlose Endstufen zu bauen, also Endstufen die keinen Übertrager nutzen, man wollte damit Verzerrungen minimieren. 2 Pentoden bilden eine SRPP Stufe die direkt die Lautsprecher treibt, Philips hat dazu spezielle besonders hochohmige Lautsprecher mit 800 Ohm Spule gebaut.
Dieser Trick ist schon besonders, nicht vergessen wir reden über Mitte der 50er Jahre. Dennoch setze man einen drauf:
Das Gerät hat 2 getrennte Endstufen, eine für die Höhen, eine für die Bässe. Es gibt eine richtige Frequenzweiche, diese befindet sich vor den Endstufen! Getrennt wird ziemlich genau bei 800Hz, der Mittelhochtöner hat einen Hochtonkegel, bei den Seitenlautsprechern ist dieser sogar abgeschrägt. Die sollen Richtung Decke strahlen und so einen Raumfüllenden Klang erzeugen. Der Aufwand lohnt sich bei dem Gerät, es zählt als absolutes Klangwunder unter Sammlern. Möchte ich so bestätigen, es ist erstaunlich wie ausgewogen das Gerät klingt. Ein SABA oder Grundig hat mehr "Bumms", die Capella ist meiner Meinung nach aber das am besten klingende Gerät das ich jemals auf dem Tisch hatte.
Vielleicht ist jemandem aufgefallen das das Gerät ziemlich viele Tasten für ein Gebissradio hat. Das kommt vom letzten Trick den Philips in dem Gerät verbaut hat, es gibt einen motorischen Senderspeicher. Drückt man eine der äußeren 3 Tasten setzt sich ein Motor in Bewegung der den Zeiger geschätzt in 2 Sekunden vom einen zum anderen Ende der Skala bewegen kann. Einen Sender speichert man indem man eine dieser Tasten drückt und den gewünschten Sender einstellt während man am Drehknopf zieht. Insgesamt "merkt" sich das Gerät 6 Sender. Dem Gerät dabei zuzusehen ist beeindruckend, der Skalenzeiger bleibt gefühlt ohne Bremsweg stehen. Der Motor ist entkoppelt vom Drehknopf wenn man ihn nicht braucht, das fühlt sich deutlich besser an als die Automatic SABAs weil hier eine echte Schwungscheibe verbaut ist. Wer zu faul ist von Hand zu kurbeln kann den Motor auch mit 2 Schnelllauftasten verwenden, diese befinden sich unterhalb des Sender-Drehknopfes. Die Mechanik dahinter hat mir ernste Kopfschmerzen bereitet, läuft aber wieder.
Wer Philips aus dieser Zeit kennt denkt es sich vielleicht, technisch ist das Gerät klasse, der Aufbau ist aber zum davonlaufen. Dünnes Blech, wilde Verdrahtung, wie nahe die 230V dem Chassis oft kommen finde ich garnicht so lustig. Alles wirkt im Vergleich zu den anderen großen wie SABA, Grundig oder Loewe billig gefertigt. Beim Saturn aus dem gleichen Jahrgang hat Philips es sogar geschafft die Skalenscheibe so dünn zu bauen das man sie von Hand ein Stück biegen kann, zum glück merkt man der Capella sowas nicht an.
Elektrisch gilt das Gerät auch als Zicke. Die SRPP Schaltung mag nicht jede Röhre, gerade die "obere" Röhre (UL84) ist kritisch. Es gibt keine elektrische Verbindung zwischen der Heizung und der Kathode, die Heizung ist "floatend", ich vermute mal die zickigkeit kommt mit daher. Die Endstufe muss nach jedem Röhrentausch neu abgeglichen werden, das passiert über Schiebewiderstände offener Bauform die an fast 300V liegen! Dazu kommt das die Geräte leicht Brummen, das ist leider normal. Jede der Endstufen zieht 49mA Ruhestrom, man hat trotzdem auf eine RC statt LC Siebung gesetzt, leider, das hätte den Empfänger perfekt gemacht! Ich habe mir einen (Rückrüstbaren) Umbau überlegt gehabt, ich wollte das das Gerät aber elektrisch Original bleibt. Oder zumindest fast, ich habe das Brummen etwas abgeschwächt indem ich statt 2x50uF 2x100uF Elkos im Netzteil verbaut habe, so ist es akzeptabel.
Bei meiner Capella war der Lack des Gehäuses schlecht, ein Bekannter von mir hat dem Gerät schwarzen Klavierlack geschenkt. Es ist fast so als sollte das immer so sein, passt finde ich ausgezeichnet zu dem Empfänger.
Gruß,
Jan