Im Laufe der Jahrzehnte haben sich Fertigungsprozesse geändert - auch bei gleichem Transistortyp. Auch Herstellprozesse von verschiedenen Herstellern des gleichen Transistortyps unterscheiden sich. Das macht sich durchaus messbar erkennbar und - Du schreibst es - ist manchmal auch in den Datenblättern ersichtlich, nicht immer.
Entscheidend ist, dass die typischen Kenngrössen des Halbleitertyps, wie er im Datenblatt genannt ist, eingehalten werden. Bei seriösen Herstellern ist das gegeben. In seltenen Fällen kann es vorkommen, dass ein älterer Fertigungsprozess z.B. die im Datenblatt gegebene SOA mit mehr Reserve eingehalten hat als der neue Prozess, aber auch umgekehrt könnte es das geben. Ich glaube, Beispiele für beide Fälle zu kennen.
Halbleiter (Transistoren) unterliegen auch einem Alterungsprozess, der von ihrer Belastung, also dem Arbeitspunkt, sowie der Umgebungs- und Betriebstemperatur abhängt. Über Jahrzehnte können sich die Kenndaten dadurch verschieben, z.B. die Verstärkung (hfe, beta) eines Komplementärpaars unterschiedlich sinken. Gute Verstärkerschaltungen komepensieren das zum grössten Teil über ihre Gegenkopplung (deshalb ist die nicht schädlich - sondern wichtig). Es kann durch solche Alterungsprozesse eine zwar messbare Verschlechterung von Verzerrungen (Intermodulation, THD) auftreten. Bis auf extreme Fälle sind solche Verschlechterungen aber meist noch so gering, dass sie für 99% der Hörer unhörbar sind, es sei denn ein Transistor wäre schon so stark "mitgenommen", dass er kurz vor dem Ausfall stünde.
Ein Austausch von Halbleitern in einem intakten Neugerät gegen z.B. neue Transistoren gleichen Typs aus älterer (früherer) Herstellung wird also i.d.R. nichts bringen.
Ein Ersatz von Halbleitern in einem viel verwendeten Altgerät (z.B. 50 Jahre alt) durch neue Halbleiter des gleichen Typs kann sich je nach Halbleiterhersteller und Fertigungsverfahren in seltenen Fällen auswirken, meist wird das aber nicht so sein. Dass man so etwas hören könnte - wäre sicher die große Ausnahme. Es ist möglich, in der Schaltung Unterschiede im Audiosignal aufgrund des Wechsels von Transistoren gleichen Typs Unterschiede messen zu können. Nicht so leicht ist es, die gemessenen Unterschiede den Kategorien "früher hergestellter Transistor" oder "später hergestellter Transistor" sicher zuzuordnen, es sei denn, man hätte dafür sichere Referenzdaten, mit denen man vergleichen könnte. Noch schwerer und bisher nicht zufriedenstellend aufgeklärt ist es, Unterschiede in den Messdaten dem subjektiven und individuell unterschiedlichen Empfinden zuzuordnen, was denn "guter Klang" sei. Beispiel: Ich habe einen recht schwachbrüstigen uralt-Verstärker, der auf Technik von 1966 fusst, der klingt für mich "sehr gut" aber seine Meßwerte sind nach heutigem Massstab grauenhaft. Andererseits habe ich einen messtechnisch perfekten (und viel neueren) Verstärker wieder abgegeben, weil der Klang mir nicht so zugesagt hat.
Die Einbildung spielt uns oft einen Streich. Wenn jemand sagt (nach einer Reparatur): "Vorher klang es aber viel besser", nachdem er weiss, dass für die defekten Transistoren nicht die Originaltypen sondern technisch "nur" gleichwertige Ersatztypen eingebaut wurden, kann das eine Einbildung sein. Ist die mal da, gräbt sich die ein und ist dann nicht mehr wegzubekommen, auch nicht durch demonstrierte perfekte Messwerte - sondern nur durch "originale" Ersatztransistoren.
Umgekehrt kann das natürlich auch passieren. Könnte sein, dass neue alte Transistoren (NOS), die mal eingebaut wurden, zufällig besser zueiander gepasst haben (gematcht waren), als das bei den neuen war. Dann sind die Messwerte mit dem besser zueinander passenden Paar nachweislich besser, wenn auch u.U. nur marginal. Vielleicht konnte ein Goldohr das sogar mal hören oder glaubte, es hören zu können. Und von da an, ist die entsprechende Voreingenommenheit "gesetzt".
Deine Frage zielt letztlich darauf ab, in welchem Maß und wie Messwerte mit subjektiv empfundenen Klang korrelieren. Das ist immer noch eine Frage, über die heftig gestritten wird.
Es gibt zwei Lager: Die Subjektivisten, die darauf beharren, dass man Klang hören muss und Messdaten dazu recht wenig aussagen, da das Ohr viel empfindlicher sei. Und dann gibt es die Objektivisten, die sagen, dass ein Tonsignal nur messtechnisch unverfälscht wiedergegeben werden muss und dann am Klang auch nichts auszusetzen ist. Oder anders herum...wenn Verzerrungen messtechnisch nachweisbar sind, dann klingt es auch nicht original, wie es soll.
Wer nach den Subjektivisten sucht, wird bei sog. "Audiophilen" fündig und in Medien, die solche bedienen.
Wer nach den Objektivisten sucht, ist hier richtig:
https://www.audiosciencereview.com/forum/index.php
Ich selbst tendiere zu den Objektivisten. Ich gebe aber zu, selbst schon subjektive Hör-Erlebnisse gehabt zu haben, die sich nicht in die objektivistische Sicht - die ich grundsätzlich vertrete - einfügen wollen. Soll heissen: Manchmal können Verzerrungen im Musiksignal phantastisch und verführerisch gut klingen. Sogar besser als das Original. Es kommt immer drauf an....
Gruß
Reinhard