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08.06.2017, 00:26
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 08.06.2017, 00:36 von El Zahni.)
Mosbach: Da muß ich Dir leider recht geben - wahrscheinlich hatte ich bei den Kinks einfach eine falsche Erwartungshaltung. Das ist schon sehr exzellente Popmusik.
Was jetzt folgt ist aber sehr weit weg vom Pop, und irgendwie glaube ich doch sehr essentiell, auch wenn das für mich völliges Neuland und ein ziemlicher Brocken war...
[Gerade kommt mir die Idee, es ist vielleicht gar nicht so unpraktisch, die Platten durchzunummerieren, um das subjektive Gefühl von Fortschritt zu erzeugen und evtl. schnell auf andere platten verweisen zu können.]
Nummer 9 also hat mich wirklich geschafft, und ich hab auch nicht so richtig Ahnung, wie man das sinnvoll schreibt, viel zu viel Info... Es geht um einen Sampler namens Les Flemmes d'Enfer / Flames of Hell - eine Zusammenstellung von Cajun und Zydeco.
Die Platte ist 1989 auf dem feinen Münchner Label (jaa, sowas gibt's) Trikont erschienen, die Aufnahmen sind aber alle sehr viel älter, von wann genau, ist für mich nicht nachzuvollziehen, wohl aber aus der Zeit zwischen 1945 und 1970 (kann aber gut sein, daß ich falsch liege).
Bei Cajun handelt es sich um die traditionelle Musik einer Bevölkerungsgruppe von Frankoamerikanern, die sich selbst ebenfalls Cajun nennt, Menschen, deren Vorfahren nach einem britischen Sieg 1755 aus dem heutigen Kanada vertrieben wurden und sich in Louisiana niederließen, wo sie bis in die 1910er-Jahre praktisch keinen Kontakt zum Rest der USA hatten. In diesem Umfeld hat sich aus den alten Traditionen nicht nur eine eigene Sprache und Küche, sondern eben auch Musik entwickelt.
Dem Sampler nach ist Zydeco "der schwarze Bruder" dieser Musik - und da wird es interessant: Die Musik der Cajun vermischt sich mit der der schwarzen Sklaven aus Mississippi und Louisiana - und wenn man jetzt ganz, ganz grob verkürzen will, dann kommt man (ich) genao hier hin: Ohne Cajun kein Zydeko kein Delta-Blues, Jein Robert Johnson - keine Rolling Stones. Ui.
Die Musik selbst ist sehr archaisch, in Instrumentierung, Rhythmus und Darstellungsform - ich kann nicht genau abgrenzen, was Cajun ist und was Zydeco. Aber hört selbst - einige Interpreten von der Platte (allerdings nicht genau die jeweiligen Aufnahmen).
Die Aufnahme ist von den Balfa Brothers, die auch das titelgebende Stück geschrieben haben, allerdings wohl irgendwie nachträglich aufgehübscht, klingt auf Platte viel mehr lo-fi.
Diese Aufnahme von Lawrence Walker klingt schon mehr wie auf dem Sampler:
Ganz groß finde ich auch, daß eine Band namens Lawtell Playboys einen tiefreligösen Bandleader haben kann der als guter Katholik Vater von elf Kindern war - damals waren Playboys einfach Spielbuben. Schön. Das ist ziemlich sicher Zydeco:
Aber es gab auch direkte Berührpunkte, bzw. ist es wohl gar nicht immer exakt auszumachen, wohin einzelne Stücke gehören. Hier z.B. spielt Nathan Abshire (Zydeco) mit den Balfa Brothers (Cajun):
Höchstwahrscheinlich hab ich viele inhaltliche Fehler bzw. Unschärfen drin, aber voll alledem wußte ich bis gestern fast genau garnix. Daß sich das geändert hat liegt auch an der wunderbaren vierseitigen Beilage (gefühlt mit 8er-Schrift bedruckt - das Manuskript eines Radio-Feature des Südfunk von 1987, wenn ich es als Audiodatei bekomme, lade ich es hoch), die sehr beredt viel Facetten der Geschichte und Kultur dieses Landstrichs darstellt - wie sich die WASP (genau so werden sie genannt) gegen die kreolischen Katholiken stellen, wie auch reiche deutsche Protestanten dort Ländereien kaufen, (das meine ich manchmal im Akkordeonspiel zu hören...), wie dort gekocht wird - Jambalaya und und sonstige Verabrbeitungsformen von Krabben und und und. Das bekomm ich nicht lesbar hochgeladen, aber wen es interessiert, dem kann ich hochauflösende Photos zuschicken.
So, ab ins Bett...
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• HifiChiller, jagcat, charlymu, Ivo, space daze, setzi, Rainer F, Mosbach, Tarl, Neno, bulletlavolta, mazyvx, Caspar67
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(07.06.2017, 12:37)El Zahni schrieb: Oh, vielen Dank - das freut mich sehr, daß es für diese kleine Geschichte so viel positive Resonanz gibt. Freut mich sehr. Und mir macht's unglaublich viel Spaß, also weiter..
D - Status Quo: Überraschung im besten Sinn. Diese Band hab ich eh und je völlig ignoriert, weil ich ein komplett falsches Bild im Kopf hatte, nämlich das von einer Band wie Smokie, die miese Pseudo-Rockmusik für Bayern1-Hörer und und Wiesn-Gröhler machen (vielleicht lieg ich mit Smokie ja genauso falsch...). Das lag daran, daß das die Lieblingsband meiner Chefin im Zivildienst anno 1999 zar, und ich ihr einfch keinen Musikgeschmack zugetraut hab. Und wer fährt schon um die Welt, um sich eine Band 350 Mal anzuhören? Das machen doch nur Leute, die Bon Jovi für große Kunst halten... Alles falsch: Status Quo - grundsolider Blues-Rock/Hard-Rock.
Wieder was gelernt...
So, das war jetzt nochmal eher leichte Kost und ziemlich mittig im Mainstream der Zeit. Die nächste Scheibe allerdings ist ein ganz anderes Kaliber...
Moin Christof,
den meisten ist nicht bekannt, das Status Quo am Anfang ihrer Karriere eine ganz normale Jungsband waren, die dem Trend der Zeit hinterher spielten... sprich angepsychte Popmusik gemacht haben... Nicht unbedingt die trippigste Mucke, aber dennoch sehr gut anzuhören... Die ersten beiden Alben der Band sind daher gesuchte Sammlerstücke und jedem zu empfehlen, der die britischen 68er Psych-Bands mag!
Peter
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• El Zahni
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08.06.2017, 09:46
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 08.06.2017, 09:47 von Ivo.)
Und als Überblick über die darauf folgende, klassische Blues-Boogie-Rock'n'Roll-Phase eignet sich meiner Meinung nach das Doppel-Album "Live!" von 1977 ganz hervorragend.
Schweißtreibender, handgemachter, arschtretender, geiler Radau auf Volume 11 - klanglich und atmosphärisch erinnert das Ganze in meinen Ohren sehr an ähnliche Werke wie "Slade Alive!" (1972), Grand Funk Railroads "Caught In The Act" (1975) oder "Live" von Golden Earring (1977).
Pult ist Kult - und Tool ist cool...
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• setzi, El Zahni
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Peter und Ivo: Vielen Dank - wunderbar: All diese Bands hätte ich auf alle Fälle links liegen gelassen - und dadurch einiges verpasst (vorgestern hab ich mehr durch Zufall 20 Golden Greats - Golden Earring gehört, war irgendwann mal als Beifang in irgendeiner Kiste, und war baßerstaunt, wie gut die sind (oder zumindest mal waren)). Auch den nächsten Künstler hätte ich wegen Namensalbernheit mit Nichtbeachtung gestraft - wieder ein Fehler, denn:
Auch Nummer 10 hat es in sich, ist aber viel näher an meinem Ohr:
Der Liveauftritt des Percussionisten Mongo Santamaria im New Yorker Yankee Stadium an einem wohl schön lauen 24. August 1973. Man mag sich wundern, warum jemand, der "nur" Congas spielt a) der Big Boss einer solchen Veranstaltung ist, und b) das Yankee Stadium ausverkauft (?). Aber beides macht durchaus Sinn: Der Sound, Wikipedia nennt ihn Afro Cuban Jazz, ist ziemlich percussion-lastig, und Santamaria hält alle anderen zusammen - Bläsersätze, Solo-Flöte, Klavier, Bass, und auch Schlagzeug.
Jetzt bin ich natürlich in der Prädispositionsfalle, aber: Wenn man die Augen schließt, ist es sehr leicht, sich in afrocubanischen Klischeebildern zu ergehen.
Interessant finde ich auch, wie das Konzert live eingefangen wurde: Nach einer halligen Stadionansage (Tonight we present...) geht es los mit sehr unspektakulär gespielten Congas, und erst nach knapp einer Minute setzen Bläser und Bass ein, und je länger das Konzert dauert desto komplexer und gleichzeitig tanzbarer werden die einzelnen Nummern. Ob aber die Reihenfolge der Lieder auf Platte tatsächlich der Setlist entspricht, kann ich nicht nachvollziehen. Auf setlis.fm findet sich jedenfalls nix, und auf die Schnelle auch sonst nirgends.
Heute undenkbar bei einer Stadion-Show ist der Ansager, der zwischen den einzelnen Liedern die Zuschauer ermahnt, nicht über den Rasen zu laufen (or the show will be stopped), sich korrigiert, weil er die falschen Musiker vorließt, oder als big surprise einen soloist aus Africa ankündigt. (Wäre mal interessant herauszufinden, wer der Mann war und welche Rolle er spielt - Promoter, Stadionsprecher, Manager - nix passt richtig.)
Die Platte selbst ist in optisch erbärmlichem Zustand, aber erstaunlicherweise sehr gut durchhörbar, nicht nur musikalisch, sondern auch akustisch.
Umso schöner finde ich den Sticker auf der Schutzhülle - auch so kann man Platten verkaufen (ich hoffe nur, das war noch die gute alte D-Mark-Zeit...):
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Du machst das klasse!
Bin schon gespannt was noch alles kommt. Lese, gucke, höre fleißig mit. Danke!
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• El Zahni, Neno
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Mongo ist schon was feines.... Der hat ne Menge guter Platten rausgebracht. Was den Preis angeht: Das müssen Ö-Schilling gewesen sein, denn die Scheibe ist bei einem G-Grading keine 50 Mark wert gewesen... Mit Schilling wären das um die 7 Mark, das täte passen...
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• HifiChiller, El Zahni
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Christof, die beiden Songs der Kinks mochte ich schon immer. Kanntest Du die vorher nicht?
Ansonsten einer der besten Freds seit langem hier, keep going ...
************
Thomas
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Oh Gott - viel zu viel Zuspruch - nicht daß mich die Eingebildetheit befällt... Aber im Ernst: Das würd ich auch genauso machen, gäb es keine einzige Reaktion. Selten hat mir Musik hören so viel Spaß gemacht. Und die Vorstellung, daß noch 437 Platten vor mir liegen, erfreut mich sehr (egal ob dann noch wer mitliest...).
Peter: Ja - Schilling wäre schön gewesen. Allerdings: Ich hab nachgefragt - die Platte wurde in Deutschland gekauft, zwar mit ein wenig Rabatt, aber nicht all zuviel. So war das halt in einer Zeit ohne Internet und discogs-Preisentwicklungsbarometer. Bleibt nur zu hoffen, der Kollege fängt nicht an zu recherchieren, warum genau ich bei genau der Platte nachgefragt hab. Bird's Nest Records ist übrigens trotzdem pleite.
Thomas: Doch, doch, klar - gekannt hab ich die Nummern schon, nur eben nicht den Kinks zugeordnet. Das Problem ist vielmehr, daß ich mir bei der Band was anderes erwartet hab, nämlich so eine Art Who auf Speed - wer bekommt während der British Invasion schon ein landesweites Auftrittsverbot in den USA?!? Und beim Durchhören hatte ich da wohl irgendwie schon halbwegs resigniert. Aber wie immer: live and learn... Weiter geht's_
Für Nummer 11 braucht es eine neue Regel: Bei Alben, die dem erweiterten Kanon des HabIchSchonMalGehört zuzurechnen sind, wird nix mehr nachgelesen, keine Wikipedia-Infos oder Ähnliches. Das ist ja der Witz, sich unvoreingenommen zu nähern, und nicht, Vorgefertigtes nachzuplappern.
Es ist zwar interessant, daß Brian Jones auf dem Cover von Between the Buttons (ein Album der Rolling Stones) laut David Dalton aussieht " like a doomed albino raccoon":
Daß allerdings Mick Jagger das Album aufgrund Verwüstung durch exzessives Overdubbing mit der Ausnahme von Back Street Girl für "more or less rubbish" hält, der unvermeidliche Robert Christgau hingegen für "among the greatest rock albums" ist wenig hilfreich, wenn man sich ein eigenes Bild machen will. Also in Zukunft: Kein externen Infos mehr bei den Klassikern.
Hier hab ich eine (gut klingende) deutsche Nachpressung auf Nova, der Tracklist nach die UK-Version. (Between the Buttons ist - wenn man einen Stones-Fetisch hat - durchaus ein Album, wo sich mindestens vier Versionen lohnen, UK und US, jeweils in mono und stereo). Warum im Vergleich zum Original-Artwork hier der Stones-Schriftzug ergänzt wurde ist mir nicht klar, vielleicht hatte Nova in den 80ern Angst, daß keiner mehr weiß, wer die Vögel auf dem Bild sind.
Das Album ist vielleicht nicht eines der größten Alben aller Zeiten, aber sicher auch weit weg von Mostly Rubbish. (Genau so, wie Lizard nicht unlistenable ist - aber das ist wohl ein Urteil, das man nur als Der Künstler fällen kann, nämlich wenn die Idee im Kopf und das Ergebnis auseinanderfallen - ich bin gottseidank weder Fripp noch Jagger, und mir gefallen beide Alben.) In dieser Phase sind mir die Stones sehr lieb, nicht mehr in der Strenge eines Rythm-and-Blues-Outfits und mit einer leichten Öffnung ins Psychedelische - Jagger kann zeigen, daß er ein großartiger Vokalist ist und mit Richards ein ebenso großartiger Songwriter (obwohl bis auf vielleicht Yesterdays Papers kein Song im Hit-Kanon der Stones auftaucht), Jones ist aufs angenehmste zerdrogt und Ian Steward ist am Klavier eine Bank.
Und mein Anspieltipp: A2 - My Obsession (aber - ok - klingt auf platte besser als aus dem Notebook):
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Der Zufall will, daß Nummer 12 hier ziemlich gut in die Reihe paßt:
Andy Kim macht mit seinem 69er-Album Rainbow Ride ziemlich viel richtig, ohne allerdings irgendein Rad neu zu erfinden.
Im Wesentlichen findet sich hier ziemlich guter Singer-Songwriter-Pop mit cleverer Instrumentierung, Arrangement und Produktion (in feinem Stereo - Discogs behautet auch die Existenz einer Mono-Version, dem Label nach ist das aber Unsinn), und natürlich bestem 69er-Artwork. Allerdings haben die einzelnen Songs nicht immer das letzte Quäntchen lyrische und musikalische Qualität. Klingt jetzt vielleicht ein wenig hart und ist auch überhaupt nicht böse gemeint - die allermeisten Musiker könnten froh sein wenn sie je ein solches Album zustande brächten. Mein Gedanke war nur ein ganz anderer: Warum hat so ein Album Erfolg während z.B. Cold Fact von Sixto Rodriguez (dem inzwischen berühmtesten aller Unbeachteten im Singer-Songwriter-Kosmos und imho nahe an dem was man Genie nennen darf - wer Searching for Sugarman nicht gesehen hat: Pflicht-Watch) völlig unbeachtet in amerikanischen Plattenläden liegt.
Vielleicht ist die Antwort leider ziemlich banal: Rodriguez war Latino mit Latino-Namen und unbequemen Texten, während Andy Kim als weißer Kanadier mit Froher Botschaft erschien und vermarktet wurde (und scheinbar waren die guten Menschen von Kanada quite shocked, als sie den so vermarkteten Kim dann auf der Bühne als Sohn libanesischer Einwanderer sahen). Aber das ist alles nur Spekulation. Und heute sind ja beide noch aktiv, aber die Rezeption hat sich deutlich gewandelt.
Die Behauptung, daß Rainbow Ride gut in die Reihe paßt, sei mit diesem Stück - A5 - belegt:
Wer mir erzählen will, daß dieses Stück so zustande gekommen ist bzw. sein kann, ohne daß Künstler und Produzent Mick Jagger haben singen hören, ich gehe noch weiter , ohne Between the Buttons im Plattenregal zu haben, den bezichtige ich der Schwindelei. Aber ich mag mich irren...
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10.06.2017, 15:51
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 10.06.2017, 19:01 von El Zahni.)
Lucky Number 13 - schnell abgefrühstückt:
Cat Stevens' Mona Bone Jakon ist zumindest in meiner unglücklichen Teenagerzeit der Soundtrack zum KnutschenWollenAberNichtDürfen (nicht ganz so schlimm wie Tea for the Tillerman, aber auch gefühlt hunderttausendmal gehört in irgendwelchen Gartenlauben beim heimlich Rauchen und Schmachten). Und ich bin mir sicher daß es je eine Generation in beide Richtungen auf dem Zeitstrahl kaum anders aussieht... Ich hab das Album sicherlich in diesem Jahrtausend noch nicht gehört, trotzem ergibt sich jeder Ton organisch aus dem davor. Hat mir ziemliche Autobahnen ins Gehirn gefräst...
Interessant allerdings: Es macht Spaß. Während ich tippe, nicke ich mit dem Kopf, und kann mit einer interessanten Doppelperspektive zuhören: Einerseits läuft alles sowieso schon in meinem Kopf und der physikalische Ton bestätigt den inneren Soundtrack nur. Andererseits hab ich eine angenehme Distanz, so als ob ich ein altes Klassenfoto anschaue. Vielleicht war's damals furchtbar, heute ist es das nicht mehr... Und wenn der Herr Steven singt:
... dann kann ich sagen: Mission accomplished. Trouble ain't no more. Auch fein.
Ansonsten bin ich angenehm überrascht: Musik und Produktion sind viel besser als ich sie in Erinnerung hatte - in meiner Einbildung war Mona Bone Jakon viel roher als sein Nachfolger. Und eines muß man Cat Sevens lassen. Er mag ein seltsamer Spinner sein, der sich weigert, Frauen die Hand zu schütteln, aber er hat Großartiges geleistet auf dem Feld der popkulturellen Schmerzerfüllung ganzer Generationen von Jugendlichen. Und er hat einen ganzen Haufen wunderbarer Popsongs geschrieben - Singer-Songwirter im besten Sinne...
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(10.06.2017, 15:51)El Zahni schrieb: Er mag ein seltsamer Spinner sein, der sich weigert, Frauen die Hand zu schütteln, aber er hat Großartiges geleistet auf dem Feld der popkulturellen Schmerzerfüllung ganzer Generationen von Jugendlichen. Und er hat einen ganzen Haufen wunderbarer Popsongs geschrieben - Singer-Songwirter im besten Sinne...
In seinem religiösen Wahn hat er sich einiges "erlaubt", um es mal moderat auszudrücken. Letztlich sehe ich das aber genauso, wie du es beschrieben hast. Damals, als er die tollen Songs geschrieben hat, war er noch nicht verblendet....und hier gehts eben um die Songs mit seiner damaligen Persönlichkeit.
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• El Zahni, Caspar67
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Ui - jetzt wird's interessant, weil kontrovers:
Da mach ich eine sloppy Bemerkung über Cat Stevens aka. Yussuf Islam aka. Steven Demetre Georgiou und seine FrauenHandschüttelWeigerung (... "seltsamer Spinner...") - vielleicht gar nicht so clever, weil ich gar nix genaues nicht weiß und nur einen Interviewfetzen im Hinterkopf hatte. Und jetzt nutzt jemand, den ich für seriös und und in der Wortwahl zurückhaltend halte, die Vokabel "verblendet". Oha. Da mußte gleich nachgeforscht werden. Und das ist ja unfassbar, war mir gar nicht klar: Über Cat Stevens finden sich die grotesksten Informationen, weit über das Händeschüttelding hinaus - von "er redet nicht mit unverschleierten Frauen" bis "er finanziert Terroristen".
Aber: All das stammt aus Quellen, die zwar über ihn schreiben, aber letztendlich keine gut rückverfolgbaren Informationen bieten. Jetzt hab ich mich da eine Stunde reingelesen mit einer gruseligen Mixtur aus Entsetzen und voyeuristischer Faszination, und mir stellt sich gerade kein kohärentes Bild dar: Da ist ein Mann, der irgendeine Art religiöses Erweckungserlebnis hat, dann sagt ihm sein Imam "Mach keine Musik mit schlüpfrigen Texten" (Mona Bone Jakon war Stevens' Kosewort für seinen Pillermann, fein auf dem Cover in Szene gesetzt ... "Mary dropped her pants by the sand, and let a parson come and take her hand" ... ), und dann verschwindet er drei Jahrzehnte mehr oder weniger, kassiert ein US-Einreiseverbot und redet allerlei Unsinn (sage ich aus meiner agnostischen Perspektive, aber wer bin ich die spirituellen Wahrheiten Anderer zu verunglimpfen), das schlimmste wohl seine (eventuelle) Unterstützung der Fatwa gegen Salman Rushdie. Aber er scheint auch jemand zu sein, der seine Religion in ihrem Wesenskern ernst nimmt, religiöse Gebot befolgt, und sich klar von jeglicher Form der Gewaltanwendung distanziert. Außerdem nutz er sein erhebliches Tantiemenaufkommen, z.B. um (ok, muslimische) Schulen im angelsächsischen Raum zu stiften, die aber einem liberalen Islam zuzuordnen sind und auch nicht-muslimischen Schülerinnen und Schülern offen stehen (hier gibt es natürlich auch die gegenteilige Information).
Jetzt: Ist so ein Mann verblendet? Und wenn ja: warum?
Ich würde behaupten: Nein, zumindest nicht, soweit ich sehen kann. Religiöse Erweckung kommt in der Musik schon mal vor (siehe z.B. Alice Coltrane), und alles andere erscheint mir irgendwie seltsam, aber nicht verblendet, zumindest auch nicht mehr als die Behauptung, das die kapitalistische Normbiographie - geformt werden gemäß den ökonomischen Bedürfnissen der Gesellschaft, produktiv arbeiten, ausreichend konsumieren, die nächste Generation Produzenten und Konsumenten erzeugen und systemkonform formen, sich möglichst lange selbst optimieren um produktiv zu bleiben, friedlich sterben - sei ein gelungenes Leben.
Ui - jetzt hab ich ganz schön wirr und offtopic in die Tasten gehackt - sorry... und zurück in die Rille, mit einer Erleichterung...:
Puh - jetzt begann schon ein wenig die Befürchtung zu wachsen, es käme überwiegend nur Airplay-Pop, aber die nächste Platte (No. 14) bewegt sich wenigstens ein klein wenig weg aus diesen Sphären - zwar ist Bo Diddley auch kaum zu überschätzen, wenn man sich den angelsächsichen Rock'n'Roll und alle seine Kinder anschaut.
Aber zwischen seiner Debut-Single Bo Diddley und dem Album Where it all Began liegen immerhin 17 Jahre. (ok - geschummelt - nachgeschaut...)
Und in diesen 17 Jahren hat sich einiges getan. Während Bo Diddley (der Song) noch stilbildend für die moderne Rock- und Popmusik war (Das sind große Worte, ich weiß, aber ich glaube sie sind nicht übertrieben. Bis auf den Amen Break kenn ich kaum eine musikalische Figur, die von einem singulären Ausgangspunkt her so viel Einfluß ausgeübt hätte), kann Bo Diddley (der Musiker) auf Where it all Began spielen, ohne noch etwas beweisen zu müssen, und scheint mir ganz viel von dem zu machen, was ihm Spaß bereitet. Auf dem Album befindet sich treibender Funk, ausgefuchte Basslines, wunderbare Dialoge zwischen ihm und einem weiblichen Chor, eine ganze Menge Soul - und natürlich der Bo Diddley Beat (manchmal ein wenig versteckt, aber wer suchet der findet. Und der Blues kommt auch nicht zu kurz:
Was mich aber fast genau so freut wie die Musik ist das Artwork. Da steht (steigt auf aus einem LSD-Alptraum-Spielzeug-Dorf?) Diddley überlebensgroß mit seiner Gitarre, und zumindest teilweise zerfällt die Welt, manchmal fein säuberlich wie die hausgroße Wassermelone, manchmal ziemlich wüst. Und auch Hochhausstadt (NY -zur Hälfte aus Kaffetassen?) im Hintergrund biegt sich. Sein Gesichtsausdruck ist für mich nicht zu deuten: Ist er ein manischer Priester der guten Laune oder will er die Welt verschlingen? Und warum erwarte ich eigentlich immer George Clinton an seiner Seite. Hmmm - A5 heißt vielleicht nicht umsonst Bad Trip... Mir gefällt er trotzdem.
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"1989 geriet er in die Schlagzeilen, weil er durch ungeschickte Äußerungen den Eindruck erweckt hatte, die Fatwa gegen Salman Rushdie zu unterstützen, was er aber umgehend widerrief. Die englische „Sun“ titelte dennoch „Cat sagt: Tötet Rushdie!“, und viele Radiostationen strichen in der Folge für Jahre seine Songs von ihren Playlists."
Ungeschickte Äußerungen kennen wir von bsp. Schröder....das war dann suboptimal *g*. Aber erstmal raushauen....und sehen, was passiert....aber im Prinzip steht man hinter den Äußerungen.
Für mich ist Cat Stevens jedenfalls subobtimal!
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General Wamsler: Völlig d'accord. (Und ich hab mal für die SPD gearbeitet...)
Cleverness oder Reflektiertheit kann man wirklich nicht unterstellen. Nur mit der bösen Absicht tu ich ein wenig schwer- auch wenn ich mir da nicht ganz sicher bin.
Aber anders als bei Heidegger, Garry Glitter und den Onkelz bin ich im Zweifel für den Angeklagten.
Und für mich persönlich hat er ein paar mehr Freiheiten als andere wegen Soundtrack oder hellsten und vor allem dunkelsten Stunden meiner frühen Jugend.
Aber klar kann und soll man den kritisch sehen imho.
glg
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" (Und ich hab mal für die SPD gearbeitet)...". Hoffe, du vermißt die Zeit nicht bei den heutigen Sozialfaschisten, da kann man sich ja nur widerlich abwenden!
Wie gesagt, die Musik (und auch die damalige Persönlichkeit) von Cat Stevens, war absolut klasse....manche Menschen entwickeln sich halt dorthin, wo es schwierig wird, diesen Werdegang zu akzeptieren. Da soll sich jeder seine Meinung bilden, oder auch nicht; letztendlich kräht da kein Hahn.
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12.06.2017, 12:05
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 12.06.2017, 12:14 von El Zahni.)
Haha - "... in der Wortwahl zurückhaltend..." - schnell back to topic (404.000.000 Google-Hits) oder 'eng am Thema bleiben'.
(Schön war die Zeit trotzdem - und schön war auch der Sommersonntag gestern, sogar so, daß ich gestern abend vergessen hab, diese vorgefertigte Antwort abzuschicken und einfach selig eingeschlafen bin. Das sei hiermit nachgeholt.)
Mit am spannendsten ist es ja, eine neue Platte aus dem Regal zu ziehen und nicht zu wissen was kommt - ist es kanonischer Pop oder obskure Abseitigkeit. Beim nächsten Album - No. 15 - hatte ich in ganz kurzer Abfolge beide Eindrücke.
Oh Gott, nach den Beatles der nächste Künstler, den Captain Obvious auf die Playlist gezaubert hat. J.J. Cale, das ist doch der Typ, der das unsägliche Cocaine geschrieben hat, das dann der unsägliche Clapton rauf und runterspielt um seine charakterlichen Defizite zu rechtfertigen. Been there, done that, check.
Aber dann dauert es nur eine ganz ganz kleine Sekunde, dann bin ich mir gar nicht mehr sicher - ist Cocaine wirklich von ihm? Und ist das überhaupt repräsentativ, oder ist das wie mit Iggy Pops Lust vor Life oder noch noch schlimmer Golden Brown von den Stranglers oder am allerschlimmsten Bobby Brown von Zappa - Riesenhits, die recht wenig mit dem Gesamtwerk der Musiker zu tun haben.
Und was ist das überhaupt für ein - wunderbares - Cover? Hobo mit Gitarre sitzt in offenem Union-Pacific-Güterwagen und rollt auf der pazifisch-kalifornischen Seite entlang der der Rockies nach Süden (natürlich nur Interpretation, aber 2007 war ich genau dort, mit einem Mustang Cabrio - ein ewiger Sehnsuchtslandstrich für mich...). Und besonderes Lob muß auch an Shelter gehen für Labelgestaltung...
Also langer Rede kurzer Sinn: Ich hab kaum eine Ahnung was kommt - bin aber mal wieder beeindruckt von meiner eigenen 'Voreingenommenheit. Also los:
Okie beginnt mit ein wenig Schlagzeug, mehr als Percussion gespielt und einer Gitarre, der man die Könnerschaft in jedem Ton auf vollste anhört, aber nicht auf die Steve-Vai-Art, sondern jenseits des Technischen.
Was Cale spielt (im Prinzip das ganze Album lang) ist technisch nicht unbedingt halsbrecherisch, aber wie er es spielt, ist ziemlich einzigartig und beeindruckend - da können, denke ich, viele Gitarristen, sehr lange hinspielen, ohne auch nur in die Nähe zu kommen: Völlig unangestrengt, cool, laid back, distanziert und doch mit vollem Ausdruck. Ich bin mir ziemlich sicher, Mark Knopfler hat ganz schön viel J.J. Cale gehört, als er sich überlegt hat, wie er mal klingen will wenn er groß ist.
Das ganze Album läuft gut und sinnvoll durch, blues-getränkter Americana mit feiner Instrumentierung, wo es paßt eben auch (unaufdringliche) Bläser und schönes Klavier - für mich im Nachhinein wirklich ein passender Soundtrack, um vom Lake Tahoe nach San Francisco zu fahren in einem Cabrio. Zwei Nummern sind mir besonders hängen geblieben: Einmal B4 - Precious Memories, eine uralte Gospel-Nummer (ok - hab ich nachgeguckt), die wird erst ausgefadet und dann brutal mitten im Ton abgebrochen. Das ist der einzige, aber harte Bruch im Album, ich versteh ihn nicht, aber Zufall ist das sicher keiner.
Andererseits B6 - I Got the Same Old Blues - da ist nicht nur der Knopfler-Gitarrensound, sondern irgendwie auch das Dire-Straits-Songwritig angelegt. Interessant...
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Und weil ja aus dem Vollen geschöpft werden kann, der nächste gleich hinterher. Eine gute Woche Euch allen:
Oha: No. 16 - Drei fette ???
Was bitte ist das? Noch nie gehört. Woodcocks? Holzhähne?? Erektionen??? Seltsames Cover - ein Hundeumriss, kommt mir irgendwie bekannt vor, aber mehr klingelt nicht. Schwarzweißfoto von einer Frau in Vintage-Unterwäsche und ein eine Bordüre aus einem Blau-Weiß-Negativ - stark verfremdet, vielleicht die selbe Frau, vielleicht ein Kind.
Die Rückseite hilft kaum weiter - sehr seltsame 80er-Jahre Gestaltungselemente, aber irgendwie mutwillig bescheuert angeordnet. Copyright 1989, teilweise über SPV vertrieben, teilweise über PIAS, das Label - Still Sane Records - auch noch nie gehört, genauso wenig wie eine/n der Musiker_innen. Aufgenommen in Tucson, AZ. Hmmm. Best Guess: Das ist Lärm-Indie mit Proto-Calexico-AltCountry-Einflüssen.
Und Tataa - gar nicht so weit weg:
[Gesamtes Album als Playlist: www.youtube.com/playlist?list=PLP-LgxRc_GDw9C39ofxKNv4j2afjAYtfO - Man beachte die entsetzlich niedrigen Aufrufzahlen.]
Discogs schreibt, das sei Country Rock, aber das ist mE Unsinn. Natürlich steckt da ein wenig (Alt-)Country drin, aber unvergleichlich viel mehr Sound aus dem Nordwesten, frühe Alice in Chains, Mother Love Bone, Soundgarden. So ein richtig komplettes Urteil kann ich nach einmal durchhören nicht abgeben, ist zu gehaltvoll für mich, um es auf ein Mal vollständig zu begreifen, hat aber viele musikalische Anteile, die ich als Teenager am Seattle Sound (bzw. an dem Teil, der gut kommerzialisiert durch MTV geschwappt ist) sehr geliebt hab: Eine gute Wut, lange Bridges, Bodentreter-Verzerrer, die man einrasten hört, den Eindruck des Handgemachten (der hier wohl nicht täuscht). Daher kann ich eine Aussage wagen: Wäre das Album nicht in Tucson aufgenommen, sondern in Seattle, und hätte da irgendwer zwei Gitarrentöne gespielt, der später mal einen großen Namen gehabt hätte, und wäre es ein klein wenig rotziger produziert, würde es heute nicht zwei Euro kosten, sondern ein Schweinegeld.
Ich frag mich nur, wie viele solcher Alben vergessen und ohne Aussicht auf Wiederentdeckung durch den Kosmos wabern - wohl eine ganze Menge. Das hier hat mich auf jeden Fall gefreut, aber ob ich es wirklich in zwei Jahren als genau dieses Album wiedererkennen würde...? Hmmm. Mal sehen.
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Hier gehts ja Schlag auf Schlag. Komme kaum noch hinterher...
Cooler und spannender Thread.
Mich dünkt, dass das eine interessante Plattensammlung ist. Glückwunsch dazu und DANKE für´s teilhaben lassen
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Norræn að eðlisfari
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• Ivo, El Zahni
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(12.06.2017, 12:44)Viking schrieb: Cooler und spannender Thread.
Mich dünkt, dass das eine interessante Plattensammlung ist.
dem schließe ich mich an !
In dieser Sammlung würde ich auch gerne stöbern und ich bin froh, das du deine Idee vor mir in die Tat umgesetzt hast.
Denn ich glaube nicht das ich auch so tolle Berichte hätte abliefern können.
Das ließt sich alles sehr erfrischend, interessant and kurzweilig.
Du schaffst es, das deine persönliche Höherfahrung und Meinung zu den Dingen drumherum, für sich stehen und auch dann nachvollziehbar sind, wenn man mal anderer Meinung ist.
>> Kommunikation ist nicht was der Eine sagt, sondern was der Andere versteht <<
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• Ivo, Viking, El Zahni
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Grad komm ich zurück aus Nürnberg, wo im Hirsch die mighty Against Me! gespielt haben. Die folgende Hörbeschreibung mag auch unter leicht klingelnden Ohren leiden. Auf jeden Fall war's fett. Sound war zwar ziemlich mies, aber dafür eine feine Setlist, weit weg von crowd-pleasing-Hitmaschinenprofitum. Wer mit "I was a Teenage Anarchist" anfängt und "Walking is Still Honest" hinterherschiebt, der macht viel richtig. Und für alle Sellout-Unkenrufer hier total und völlig OT ein Anspieltip aus dem aktuelle Album Shapeshift with Me - Dead Rats:
Aber zurück zu den 447:
Viking & Olav: Vielen Dank für die Blumen - freut mich wenn es ein wenig Spaß macht. Die Sammlung war/ist in der Tat auch für mich so spannend, nicht nur weil da eine Musikhörbiografie drinsteckt, sondern noch aus einem ganz anderen Grund: Normalerweise ist es ja so, daß man Sammlungen u.a. deshalb nicht kauft weil man 40% eh schon hat - Dire Straits, Floyd, Friday Night in SF usw. Bei der hier, hatte ich weniger als 10 Platten, zwei Drittel haben mir wenig bis nix gesagt, und die allermeisten haben dem Cover nach interessant ausgeguckt. Wenn das mal nix is.
Und klar ist das alles Meinung von mir, völlig subjektiv und unfundiert. Da kommen sicher noch tausend höchst spekulative, einseitige und sicherlich manchmal grundfalsche Sätze. Aber natürlich ist jede_r herzlichst eingeladen, nach Herzenslust die eigene subjektive Meinung oder fundiertes rockenzyklopädisches Wissen dagegen zu stellen.
Aber...:
Oh je, kaum frohlockt, schon geht's mit Nummer 17 zurück ins Epizentrum des Pop:
Was soll man/ich über Rubber Soul noch sagen, was nicht schon gesagt wurde? Über diese Version (der Tracklist nach UK) kann ich immerhin sagen: Das Odeon-Label ist das hässlichste, was ich je gesehen habe. (Da weigert sich sogat die Kamera scharfzustellen.) UND: Die Version ist auf Discogs nicht gelistet (was hab ich geflucht, als ich gesucht hab - mental note to self: In nem Jahr nochmal nachschauen...).
Ansonsten ist das Popmusik, die als solche so gut ist, daß ich mir kein kritisches Urteil anzumaßen wage (ok, kaum...):
A1 - Drive my Car - hat jeder im Ohr, man kann im Westen nicht aufwachsen, ohne dieses Lied zu kennen. Seltsam, sofort sticky, auch wenn ich nicht verstehe, warum.
A2 - Norwegian Wood: Absolut perfekter Pop. (Ernsthaft, was soll man dazu sagen?)
A3 - You won't see me: Für mich die einzige Nummer, die ein wenig abfällt von der Qualität her. Aber vielleicht lieg ich falsch und sie ist nur als einzige nicht so eingängig.
A4 - Nowhere Man: Den Text versteh ich nicht "...He's a real nowhere man...". Um Liebe geht's wohl nicht (?). Aber ziemlich sensationell ist der teils dreistimmige Gesang. Da frag ich mich: Haben die Beatles mal Gesangsunterricht gehabt oder sich das selbst draufgeschaftt? (Mental note to self: Mal eine Beatles-Biographie lesen...)
Und so geht es weiter... Genießen, nicht denken, wenden:
B1 - What goes on - Ha, Bo Diddley Beat, hab ich gedacht, aber dann: doch nicht.
B2 - Girl: Wieder eines von den Liedern, die man eigentlich nicht dauernd hört, aber irgendwie sofort im Ohr hat. Wie die Beatles das machen ist mir völlig unklar. Aber scheinbar ist es möglich, einen Ohrwurm zu schreiben, der nach einmaligem Hören ein solcher wird.
usw. usw.
B5 - Run for Your Life: Was für eine großartige Nummer - Lennon von Sinnen. " I'd rather see you dead little girl, than to be with another man". Ich hab gedacht, ich hör nicht richtig. (Tu ich aber, oder?) Das ist ja richtig finster, und kommt auch in der Musik gut rum, ziemlich edgy und mit doppeltem Boden. Großartiger Abschluß für ein wunderbares Album.
Insgesamt: Für mich ist das Songwriting vom allerallerfeinsten, ein wunderbares Album am Übergang von den frühen zu den späten Beatles. Interessant: Hier stört mich dieses Format zum ersten Mal - Rubber Soul zu hören und gleichzeitig zu überlegen, was dazu zu sagen ist, das klappt nicht, ist zu groß für mich. Ist aber auch eine Erkenntnis.
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"Michelle" war mein Einstieg in den Beatles-Kosmos. Meine Schwester hat das bis zum Erbrechen auf einem Mister-Hit spielen lassen. Ich habe die Platte, glaube ich, noch irgendwo im Keller. Ich Wette, dass der Abnutzungsgrad bei Michelle sich deutlich vom Rest unterscheidet.
Gruss
Michael
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• El Zahni
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ich mochte dieses Album früher nicht, jetzt sind Girl und Run for your life auf meiner Beatles Best of - Liste
Mach weiter !!
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• El Zahni
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Isch krisch grad' Gänsehaut wenn isch das lese - und weiß nisch warum ...
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Thomas
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• El Zahni
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15.06.2017, 15:30
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 15.06.2017, 21:54 von El Zahni.)
[Edit: NEU! Jetzt mit mehr Links und weniger Fehlern]
Wunderbar - Schreibblockaden von der feinsten Sorte: Sommer in der Stadt und die Isar in Sichtweite. Und Feiertag. So soll es sein, das Gute Leben. Drum kommt die No. 18 auch zwischen dem vormittäglichen Sonnenbad und dem nachmittäglichen Herumliegen mir Bier und Buch.
At the Drive-In von Freddy Robinson kommt fein abgegriffen in sehr dickem, stabilem Cardbord und als Promotional Copy. Zumindest hab ich mich da kurz mal gefreut in meiner Krämerseele: Promo macht mich heute virtuell reich und verhindert mal Altersarmut. Aber natürlich falsch gedacht: Auf Discogs ist die Promo-Version mit Abstand die günstigste... Wie geht denn sowas? Ich reim es mir mal so zusammen, daß das Album als potentieller US-weiter Viel-Seller gesehen wurde von Stax bzw. Enterprise, die haben dann (geraten) 5000 Promos verteilt, die Platte hat aber niemanden interessiert und vielleicht nochmal 5000 verkauft. Die, die sie gekauft haben, haben sie dann eher auch behalten und die Promos sind auf Wanderschaft gegangen.
Schön trotzdem - Das Enterprise-Promo-Label:
Und das ist nur eine von mehreren Seltsamkeiten, die dieses Album bereithält:
Als ich die Platte zum ersten Mal aufgelegt hab, war das schöne Cover außer Reichweite, und ich hab mich an das handgeschriebene Etching im Runout gehalten um zu bestimmen, welche Seite denn nun die erste sei. Und da steht eindeutig:
Stimmt aber nicht, das ist die zweite Seite. Und so bekommt man einen völlig anderen Eindruck, als wenn man die Platte richtig rum hört: Seite Zwei ist nämlich bis auf einen einzigen Chor in B1 rein instrumental. Ziemlich gut hörbare Mixtur aus Soul, Jazz und Blues, manchmal mit einer Gitarre, die ein wenig zu gewollt zeigen will, was sie kann, was aber gefühlt nur ungefähr 30 Sekunden lang wirklich nervt. Außerdem ist Seite ziemlich lang - reicht, um Kartoffeln und Spargel zu schälen und die Wäsche zusammenzulegen - und taugt auch gut als Hintergrundmusik (aber natürlich nicht nur - ist ziemlich ausgefuchst und vielschichtig, kann man genauso gut auch sehr bewusst hören).
Als Hörbeispiel B2 - Sweet Clara:
Wenn man das Album aber richtig rum hört wird ein ganz anderer Schuh draus, nämlich ein richtiges Album, was als solches gedacht ist.
Den Anfang macht mit I Found My Soul Last Night - wenig überraschend - eine fette Soulnummer mit allem was dazugehört, große Instrumentierung, Bläser, mehrstimmiger Gesang usw (gibt es leider online nicht).
Als nächstes kommt mit dem Titelstück At the Drive-In der Gegenentwurf dazu - ein eher minimalistischer Blues, in dem Robinson die traurige Geschichte erzählt wie er sich Geld leiht um seine Freundin ins Kino auszuführen, und sie nutzt die Gelegenheit um ihm aus mangelnder Liebe den Laufpaß zu geben:
B3 Wonder What It Is - mischt dann Blues und Soul fein zusammen.
Ein Premium-Stirnrunzler ist aber B4 - Bluesology: Da bin ich mir überhaupt nicht sicher - meint der das wirklich ernst? Da dudeln Gitarre und Klavier ziemlich austauschbare Blues-Standards, während das Schlagzeug verbissen auf der geschlossenen Hi-Hat rumhackt, und Robinson erzählt über seine Hometown of Chicago, und was für wunderbare Nachtclubs es dort gibt, und der Blues erst, der dort gespielt wird, Muddy Waters ist da quasi jeden Abend da usw. Das Ganze klingt wie ein Möchtegern-Großbürger, der seinen in seinen Augen provinziellen Zuhörern von der großen Stadt erzählen will. Und wäre das Ernst, wäre es auf jeden Fall ziemlich gruselig (genauso wie das Gitarrensolo, das als chicagoblueskellertypisch angepriesen wird). Aber dann fängt irgendwann eine Frauenstimme zu singen und den Erzähler anzupöbeln - und er gerät ins Stocken ("I really don't have time to talk to you right now"), und erzählt dann, daß es neben T's Basement auch noch andere Blues-Schuppen gibt.
Ich hab keine Ahnung von der Chicagoer Blues-Szene, aber ich hoffe sehr, sie ist zur Ironie fähig. Dann ist die Nummer nämlich ziemlich großartig. Aber urteilt selbst:
Langer rede kurzer Sinn: Dreht man danach die Platte um, hat dann noch ein Quasi-Vokal-Stück und dann fast 20 feinste Instrumental-Minuten - macht in summe genau ein komplettes Album.
So - und jetzt schnell ab in die Sonne. Rechtschreibkorrektur heut abend...
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• jagcat, contenance, HaiEnd Verweigerer, Ivo, Viking, charlymu, Jenslinger, Mosbach, Rainer F, HifiChiller, Caspar67
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(Mal ganz kurz off topic: für bei discogs nicht gelistete Versionen -siehe "Gummiseele" oben- kann man sich Listen anlegen und bekommt dann eine Nachricht, wenn was neues auftaucht)
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Thomas
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• El Zahni
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