Man, was für ein schwieriger Fall! Hier der Pioneer A-717MKII von Andreas (Idefix), ein Verstärker der gehobenen Preisklasse von 1991. Er verfügt über reichlich Leistung, 2 mal 150 Watt Sinus an 4 Ohm nach DIN oder sogar 2 mal 250 Watt Impulsleistung an 2 Ohm, wiegt stramme 19 kg und ist, oberflächlich betrachtet, auch wirklich sauber verarbeitet. Die Krux liegt im Detail...
Andreas sandte mir den Verstärker, weil die Kanäle aussetzten, die Potis sprotzelten usw. Zudem spielte er bei Phono, falls überhaupt, erst stark zeitverzögert, also manchmal erst nach 15 Minuten. Gut Schalter und Potis reinigen war jetzt nicht das Problem. Das erste Ptoblem, welches ich hatte, war, dass ich dem Verstärker keinen Ton entlocken konnte - nur bei Druck auf die DIRECT-Taste spielte er, jedoch nicht bei PHONO. Nach einem kurzen Telefonat stellte sich heraus, dass dieses Gerät eine Brücke hinten benötigt - und zwar an Buchsen die nicht, wie vermutet, PRE OUT und MAIN IN heißen, sondern hier ADPT2 genannt werden. Es gibt auch ADPT1, dort braucht es aber keine Brücke, aber es gibt an der Front einen Schalter ADPT1 ON/OFF. Na gut, da bin ich schon mal drauf herein gefallen. Andreas hatte die Brücke weg gelassen, da er zu Hause Nubert-Boxen betreibt, die ja diesen kleinen Equalizer benötigen, um damit den Eindruck zu erzeugen, sie könnten, trotz winziger Gehäuse Tiefbässe wiedergeben. Dieser Equalizer ist bei ihm dort eingestöpselt, daher fehlte das Kabel. Die nächste Schwierigkeit, die sich ergab, war das Netzteil, welches unten eingebaut wurde und über Kopf hängt. Dadurch wird die ganze Wärme der Regulatoren auf die eigenen Lötstellen gelenkt und nach Jahren halten die dann nicht mehr. Diese Tatsach an sich ist ja keine Schwierigkeit, nur die Platine ist so montiert, dass man die Platine ausbauen muss, um an die Lötseite heran zu kommen und genau das geht so gut wie nicht, es hängen über 30 Kabel an dieser Paltine (mit Wire-Wrap-Stiften) und alle sind so kurz, dass man die Platine nur etwa 5 cm abheben kann und dann durch den schmalen Schlitz löten muss. Nun gut, die Spannungen waren wieder da, alles bestens, dachte ich - aber PHONO wollte immer noch nicht laufen. Ein paar weitere Messungen am Phonovorverstärker - auch hier ist kaum ein herankommen! - ergab, dass PHONO meistens stumm geschaltet war, warum auch immer. Diese Mutingsschaltung liegt beim 717 auf der Frontplatine und besteht aus etlichen IC's. Nachdem ich den Plan, die Mutingschaltung instandzusetzen aufgegeben hatte, weil dies ein so erheblicher Aufwand geworden wäre, weil die Frontplatte auszubauen ein abendfüllendes Unterfangen ist, habe ich kurzerhand die Mutingleitung gekappt und schon lief PHONO - sogar ohne Einschränkungen. Diese Stummschaltung ist dafür gedacht, während der Schaltungen an Eingangswahlschalter oder am Phonoselektor das Signal stumm zu schalten, um artfremde Geräusche von den Lautsprechern, bzw. den Ohren der Benutzer fern zu halten. Das ist aber verzichtbar. Blieben noch die Relais zu wechseln, Auch hierfür ein enormer Aufwand, die komplette Rückwand muss abgebaut werden, dann müssen alle Speakeranschlüsse abgelötet werden und dann, ja dann kann man schon die Relais auslöten... Als auch das alles erledigt war und das Gerät innen und aussen gründlich gereinigt war, stellte sich ein weiterer Fehler heraus: das Gerät schaltete plötzlich und zwar erst, nachdem auch die Bodenplatte wieder angeschraubt war, sofort nach dem Einschalten das Relais ein, was heftigste Membranbewegungen der Tieftöner nach sich zog. Das war doch vorher nicht! Wieso jetzt plötzlich?? Also Bodenplatte ab, Fehler weg - jetzt schaltete das Relais brav mit 4-5 Sekunden Verzögerung und ganz ruhig, so wie es sein sollte. Also Bodenplatte wieder drauf und ein paar Schrauben eingedreht, probiert - kein Fehler. Noch ein paar Schrauben - ohh, Fehler wieder da! Also Schrauben wieder raus, Fehler weg. Nachdem die "schuldige" Schraube gefunden war, sah man deutlich was da passierte: ein der Wire-Wrap-Stifte berührte die eingedrehte Schraube und verursachte einen Kurzschluss nach Masse. Eine kleine Biegung an dem Wire-Wrap-Stift und schon war das Probelem auch beseitigt. Puuh, das war nicht ganz so einfach, wie sonst. Aber wieder mal eine Argument mehr für mich, warum ich die älteren Geräte so liebe, die sind klar und übersichtlich gebaut, absolut servicefreundlich und simpel in der Technik, wobei simpel hier durchaus positiv gemeint ist. Das hatte doch in den 90er Jahren deutlichst nachgelassen, dafür konnte sich jeder ein großes Hifi-Gerät leisten...
Hier ein Blick in das Innere des Verstärkers, zwei Trafos, aber kein Doppelmono. Wabenkühlkörper wegen der Resonanzen...
Blick auf die Front, Komplettansicht.
Hier die linke Seite mit dem Lautsprecherwahlschalter und den Klangstellern.
und die rechte Seite mit dem Aufnahmewahlschalter und dem Eingangswahlschalter, rechts daneben Lautstärke. Darunter befinden sich der PHONO EQ-Schalter (den man drücken soll, wenn man keinen Plattenspieler angeschlossen hat - die Funktion ist jetzt überbrückt!), daneben LOUDNESS, TAPE-MONITOR und die DIRECT-Taste, die Balance, Klangsteller und Loudness überbrücken, zusätzlich wird keine Brücke im ADPT2-Anschluss mehr erforderlich - oder, wie im Falle von Andreas, machen die Nubert-Boxen plötzlich viel zu wenig Basswiedergabe

Ganz rechts findet sich noch der Phonowahlschalter (MM oder MC, mit oder ohne Subsonic-Filter).
Und die Ansicht der Rückseite, man beachte die Cinchbuchsen unten rechts, da muss eine Brücke rein.
