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Aiwa AD-F990
#1
Es gibt sie noch. Zu bezahlbaren 'Schnäppchenpreisen' im unverbastelten Zustand. Wenn auch nicht wohnzimmertauglich. Und die üblichen Restaurationsmaßnahmen stehen auch an.

Als Jugendlicher wollte ich so ein Teil immer haben, ein Kumpel und ich waren sowieso auf die alten Tapedecks mit dem Bedienpult fixiert, in und an ihnen war alles damals technisch Machbare eingebaut, ein riesiges FL-Display mit zappeliger Aussteuerungsanzege, Echtzeitzählwerk, 3-Kopf und Einmesscomputer.....
Und ein Gehäuse aus dünnem Blech, das trotzdem sauschwer war und erahnen ließ, was darin alles für Schätze verborgen waren. 
Hach, was haben wir uns die Füße in den Hifi-Abteilung von Saturn (in Köln) die Füße wundgestanden, Kopfhörer und eigene Tapes mitgebracht, von Walkman zu Tape überspielt, nur um möglichst lange an den Dingern rumgrabbeln zu können.

Bezahlen hätten wir die nie gekonnt. Und im Alter von 17/18 war es sowieso vordringlicher den Führerschein zu machen und ein Auto zu finanzieren. Auch, damit wir nicht immer mit dem Fahrrad und abenteuerlichen Turmbaukonstruktionen auf dem Gepäckträger die Videorecorder, Verstärker und Radios vom Second-Hand Laden nach Hause zum reparieren und wieder zurück transportieren mussten.

War auch OK, aber die Verluste nicht unerheblich....

Durch Zufall waren wir damals mal an ein Tapedeck des gleichen Jahrgangs gelangt, dass allerdings niemals den Kultstatus von dem hier gezeigten erreicht hat. Das wurde in wochenlanger Kleinstarbeit komplett, incl. Platinen in seine Einzelteile zerlegt, gereinigt, geprüft und zusammengebaut.
Letztlich ist es dann aber doch bei einem Hifi-Ankäufer gelandet, Spritgeld war wichtiger als das rumgrabbeln an ollen Schätzchen die man in- und auswendig kannte. Und es war ja auch nicht DAS Kultdeck.

In Köln hatte AIWA damals seine Deutschlandniederlassung in der Scheidtweiler Straße, ein vergleichsweise kleiner Hinterhofbau.
Wenn immer die Zeit es erlaubte oder wir den Drang hatten, sind wir mit dem Fahrrad ein dutzend Kilometer da hingefahren und haben ...  wie nennt man das heute? Upcycling betrieben.

Damals war in der Niederlassung auch eine Reparaturwerkstatt, und Alles was nicht rentabel war oder zu alt oder sonstwie übrig war, wurde in den hinterm Haus abgestellten Container verfrachtet. Compact Cassette Player aller Generationen, Werbeschilder von irgendwelchen Messen, Prototypen (!) und tatsächlich auch haufenweise als obsolet betrachtete Ersatzteile.

Das war immer spannend, Mülltrennung gab es ja nicht, und so kletterten wir zwischen zerdepperten Kompaktanlagen, Kästchen von Original Ersatzteilen und halb aufgegessenen Mittagsstullen durch den Container und nahmen alles vermeintlich wertvolle mit.
Man hatte sich später angewöhnt, dass man die Platinen der weggeworfenen Geräte irgendwie zerbrach. Die Geräte sahen äußerlich meist manierlich aus, waren auch soweit vollständig und zusammengebaut, aber innendrin waren die Platinen mehr oder weniger zerstört.
War uns aber egal, haben wir geflickt.
Irgendwann wurde das Gelände mit einem Tor versperrt, also war das 'nach Feierabend' mal zu AIWA nicht mehr so einfach, während der Öffnungszeiten da hinzugehen trauten wir uns nicht so recht, wir wurden selbstverständlich sowieso mit Argwohn 'geduldet'.

Noch heute habe ich den Geruch aus dem Container in der Nase, jedesmal wenn mir so ein altes Schätzchen über den Weg läuft. Zigarettensche, Wurst- und Käsestullen, Packungen von Fertiggerichten und Elektronik. Ich hab da nen Hau weg.  Floet

Nunja, langer Rede und viel Unsinn, jedenfalls kam der Götterbote heute vorbei und hat mir was mitgebracht.
In der großen Bucht geschossen (der Ein- oder Andere hat es vielleicht gesehen) und vermutlich auf Grund der Bilder nicht der Verkaufsrenner. Der Zustand ist halt...  ja.  Flenne
 
Und ja, da bin ich masochistisch veranlagt; das Ding wird ganz viel Zuwendung bekommen, bis es nicht mehr häßlich ist.
Gottseidank ist alles Elektrische gut, das große Display hell, die Plexiglasscheibe nur ganz wenig zerkratzt. Die Riemen sind alle abgefallen (nicht gefault!) und der Capstanmotor klingt was laut, so im Leerlauf und ohne Last.

Aber das wird schon. Bestimmt.  Thumbsup

[Bild: IMG_20171129_182144.jpg]

[Bild: IMG_20171129_182205.jpg]

[Bild: IMG_20171129_182215.jpg]

[Bild: IMG_20171129_182622.jpg]

Das Meiste ist tatsächlich Schmutz & Schmier. 

So in unaufgeräumtes Inneres... Später hamse ja dazu gelernt und statt gefühlte 1000 einzelne Kabelstrippen gabs dann Flachbandleitungen und wenige große Steckverbinder. Aber das hier ist halt noch sowas wie echte japanische Handarbeit. Hat man heute auch nicht mehr.
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#2
Tolle Story  Thumbsup

ach ja das 990er,bei mir hat´s damals mit 18 Lenzen nur zum 660er gerreicht (immerhin knapp 800 DM teuer),was aber nach jetzt fast 34 Jahren im Erstbesitz immer noch läuft (nur mal Riemen gewechselt - das ist bei dem sehr einfach).
Grüsse aus München   Drinks

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#3
Weil ich es (natürlich!) nicht erwarten konnte, habe ich den Deckel gleich mal der üblichen Reinigungskur unterzogen und mit einem feuchten Mikrofasertuch 'grob' die Front gereinigt, damit man zumindest die Tasten wieder sehen kann und ich erkennen, ob die große Plexiglasfront wirklich nur völlig vermatscht oder gar doch zerkratzt ist.

Und was soll ich sagen, alle Bedienteile sind da und beinahe völlig ohne Kratzer oder Beschädigungen, das Displayglas hat einen kleinen Rempler, aber nichts großartiges.

Das zweite Mal habe ich gegrinst, als ich dann die erste Testkassete einwarf (völlig ohne Reinigung und Riemen!) und nach ein bischen Schaltergeschubse...

Das Ding läuft! Ohne Riemen! Es zieht die Kassetten durch, als wäre alles in Ordnung, Spulen und Wiedergabe... 

Na gut, man muss ein bischen am Capstan drehen um die Kopfbrücke in die Nähe des Bandes zu bekommen, aber dann kommen Töne raus. Und die VU-Meter zappeln... und die Dolby-Erkennung läuft....  und ...  hach. Sogar der Musiksuchlauf funktioniert.  Thumbsup

Puh, war vielleicht dann doch kein finanzieller Totalverlust.

Nach schneller Reinigung (und die war bitterst nötig) sehen auch die Tonköpfe wieder wie neu aus. Nix eingelaufen, nix zerschrabbelt, gefühlt wie aus dem Laden.

Ick freu mir...

[Bild: IMG_20171129_192428.jpg]

[Bild: IMG_20171129_194342.jpg]
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#4
Es geht dann langsam aber mühsam weiter.

Nach der Teilzerlegung des Gerätes stellte sich heraus, dass ich nicht der Erste bin, der das schonmal in Angriff genommen hat.
Irgendwann wurde das Gerät schon einmal repariert, ein CMOS 4069 wurde getauscht, im Netzteil war wohl mal was durchgebrannt und irgendwo anders gab es einen Wackelkontakt.
Zumindest aber, und das freut mich, hat derjenige offensichtlich keine schlechte Arbeit geleistet und alles wieder vernünftig und richtig zusammengebaut.

Gerade in der Netzteilregion frage ich mich aber, ob es in den 80'er Jahren keine Möglichkeit gab, die echten Bauteile mal den Layoutern zu geben, damit die die Footprints der Bauteile mit Kühlkörper vernünftig im Layout berücksichtigen können.

Das Ding ist dermaßen Scheiße vom Layout und der Bauteileanordnung her, dass man sich schon ernsthaft Gedanken machen muss, wie sowas jemals eine Qualitätskontrolle durchstehen konnte.
Ich könnte mir auch gut vorstellen, dass auf Grund der Enge und der Berührungsgefahr der verschiedensten unisolierten Anschlußdrähte, einige Geräte schon beim ersten Einschalten in der Fabrik in in Rauch aufgegangen sind.
Oder noch während der Garantiezeit repariert & nachgebessert werden mussten.

[Bild: IMG_20171130_190310.jpg]

Wer auch immer das war. Nettes Relikt.


[Bild: IMG_20171130_184958.jpg]

Joah...  kann man machen. Sieht halt Scheiße aus.


[Bild: IMG_20171130_185044.jpg]

Die Hauptplatine steht komplett frei. Es sind ALLE Leitungen schon weggenommen, die zum Laufwerk und Tastaturplatine führen. Auch Display- und Steuerplatine sind schon abgesteckt. 
Alle Leitungen die man noch sieht führen von einem Ende der Platine an ein Anderes.


[Bild: IMG_20171130_191513.jpg]

Man kann ein grünes Kabel anlöten wenns irgendwo einen Wackelkontakt im Stecker gibt. Man könnte das auch ordentlich machen.

Glücklicherweise sind bei diesem Gerät keine Flüssigkeiten ausgetreten oder aufgetroffen, sodaß Korrosion nur eine kleine Rolle, insbesondere bei den Längsreglern im Netzteil eine Rolle spielt.
Die TO220 wurden mit Kleber auf der Platine verklebt, damit der Kühlkörper sie nicht beim kleinsten Wackeln des Gerätes aus den Lötstellen zieht. 
Das hält sich aber wirklich in Grenzen. Viel Schlimmer sind die viellen wirren Drähte, die ständig im Weg sind wenn man mal irgendwo was reinigen oder tauschen möchte.

To be continued....
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#5
Die guten alten Zeiten, als HIFI noch was mit Wertigkeit zu tun hatte und selten aus China kam, Kunststoff nicht der alleinige Werkstoff und Ingenieure und Designer nicht ausschließlich dem Rotstiftdiktat zu folgen hatten.

Nette Details kamen zu Tage, als ich die komplette Gerätefront zerlegt habe um diese vernünftig reinigen zu können. Das geht sehr viel einfacher als gedacht; an der Pultunterseite ist eine angeschraubte Metallkappe, entfernt man diese gelangt man an 2 Platinen auf denen die Bedientaster sitzen.
Mit der Zeit hat sich da eine Menge Schmutz angesammelt; das Bedienpult selber war völlig verschmiert und irgendwann ist auch mal eine geringe Menge klebriger Flüssigkeit hineingelangt.
Der mechanische Aufbau des Bedienfeldes ist eine Freude, alle Tasten (außer den kleinen Blauen) sind auf eloxiertem Aluminium, die Beschriftung von der Eloxierung ausgenommen (weiße Schrift) oder aufgedruckt (schwarz).
Die Tasten liegen auf 4 Schienen auf, die in passeende Aussparungen eingelegt sind. Jede Taste hat genug Spiel um sie zu betätigen, aber kann sich sonst nicht groß wegbewegen.
Hier war noch nie jemand dran, außer die Fabrikarbeiter; es gibt eine winzig kleine, ganz dünne Feder zwischen einer der Schienen und der Aluminiumfront, die für Massekontakt sorgt.
Ist diese vorhanden (die bemerkt man auch nicht, wenn sie verloren geht, es sei denn man achtet explizit darauf), ist das ein Zeichen für jungfräulichkeit dieser Sektion.
Sonst ist im Frontteil des Geräts nur noch eine Platine mit LEDs, ist diese raus kann das ganze Bauteil gewaschen werden; in meinem Fall ging der Schmodder gut runter. 
Ganz kleine Kratzer im Bereich unter der Kopfhörerbuchse sind vorhanden, aber keine Beulen. Unter dem ganzen Schmodder ist das Gerät in einem besseren Zustand als zuerst gedacht.

[Bild: IMG_20171201_002315.jpg]

Schmutz Schmutz Schmutz

[Bild: IMG_20171201_002446-01.jpg]

Tasten von unten. die Orangegelbbraunen Flecken ist Kleber, der die Fensterchen für die Tasten-LED festhält.

Auf dem nächsten Foto zeigt sich, dass es bei den alten Schätzchen durchaus wichtig ist, die Leiterplatten nach Kleberesten abzusuchen, diese sorgfälltig zu entfernen und ggf. die Bauteile zu erneuern, die vom Kleber erwischt wurden.

Dieser arme kleine Elko stand mit einem Bein im mittlerweile zu Kohlenstoff gewordenen Kleber, der eigentlich einen Kühlkörper auf der Platine halten sollte. 
Welche chemischen Zusammenhänge hier eine Rolle spielen erschließt sich mir nicht; in diesem Fall ist der Anschlußdraht so spröde, dass er keinen Strom mehr leitet; der Elko zwar nicht elektrisch tot, aber unversorgt bleibt.
In diesem speziellen Fall keine Katastrophe, kann aber anderweitig zu größeren Folgeschäden führen.


[Bild: IMG_20171201_022524.jpg]

Die Platinen mit den Tastern sind übrigens, vor allem wegen korrodierter Tasterkontakte (manche brauchten Nachdruck, andere gingen fast nie), ins Ultraschallbad.
Zuerst habe ich die Taster (es ist der Typ mit großer schwarzer runder Kappe) mit Kontaktreiniger geflutet, alle Tasten ein paar mal betätigt, dann die Platinen bei 70° ins Ultraschallbad für fünf Minuten; das spült eine Menge Dreck aus und von den Ritzen, anschließend waren alle Taster einwandfrei funktionsfähig und auch die Platine sauber wie nie.

Dazu muss man ja wissen, dass die alten Platinen immer im Wellenlötverfahren verlötet wurden. Damals hat niemand die Leiterplatten anschließend gereinigt, Krusten von Flußmittel vermischt mit anderen langjährig angesammelten Unannehmlichkeiten kleben und riechen. Ich mach den Schmodder auf die Art weg.

Bilder hab ich mal wieder keine gemacht; folgen ggf. noch.

Achja, zum gestrigen gemecker über das schlimme Design, das beschissene Layout der Platine und die ungeschickte Platzierung der Bauteile, hier ein Bild von der Region die mich da besonders gefreut hat...
Vor dem ersten Zerlegen, deshalb auch arg schmutzig.

[Bild: IMG_20171130_185056.jpg]
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#6
Ein leidiges Thema bei alten Geräten ist ja auch, dass an bestimmten Stellen die Beschriftung nur allzu gerne verloren geht.

Bei diesem Gerät ist die Rückwand betroffen.
Die Rückwand ist sowohl mechanisch leicht beschädigt (2 kleine Dellen), als auch durch Korrosion in Mitleidenschaft gezogen worden.
Die Beschriftung scheint im Siebdruckverfahren, allerdings mit ungeeigneten Farben oder auf einen nicht geeigneten Untergrund aufgebracht worden zu sein.

In meinem Fall ist zum Glück noch 90% der Beschriftung erhalten. Da ich das auch gerne so behalten wollte habe ich mich dazu entschieden, die Rückwand keiner umfangreichen Reinigungsprozedur zu unterziehen. Lediglich ein Spülprogramm mit warmem Wasser und ganz wenig Spülmittel, keine mechanische Reinigung. 
Zum Glück, nur eine kleine Linie hatte sich leicht vom Untergrund abgelöst, aber es sind nicht reihenweise Buchstaben und Wörter im Abfluß verschwunden.

Nur, was mache ich dann?

Ganz einfach: Klarlack Seidenmatt.

Nachdem alle getrocknet ist, habe ich noch einmal ganz vorsichtig die unkritischen Bereiche mit Fensterreiniger und einem Mikrofasertuch abgewischt, dann eine gute Schicht Klarlack aufgetragen.

Das sah zuerst scheiße aus, aber aus Erfahrung wußte ich, dass der Lack nach dem Trocknen nahezu unsichtbar wird. Und so war es auch, das Ergebnis ist eine nahezu unsichtbar versiegelte Oberfläche, der man das Alter und die Geschichte des Gerätes ansieht, aber bei der nun nicht mehr die unmittelbare Gefahr besteht, dass die Beschriftung verschwindet.
Und weil die Seriennummer zum Gerät gehört, ist auch der Papieraufkleber gleich mit versiegelt.

[Bild: IMG_20171201_111557.jpg]

Hier ein Detailfoto der Bedientastatur nach der Reinigung. Der Ausschnitt entspricht in etwa dem in einem vorherigen Beitrag. Die Fussel dürft ihr euch wegdenken, die sind vom Reinigungstuch übrig geblieben und haften wegen der statischen Aufladung viel zu gut an der Plexiglasscheibe.


[Bild: IMG_20171201_111440.jpg]
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  • hanns, 7ohannes, Hardcore-Holly, Geruchsneutral, hadieho, Pionier, spocintosh, Ralph, DarknessFalls, , luckyx02
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#7
Ja, da halst man sich eine Menge Arbeit auf, aber danach wird man mit einem faszinierenden Gerät belohnt. Ähnlich hatte ich es mit einem Yamaha K-560 vor 8 Jahren, läuft heute noch wie neu.
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