Geräte "warmspielen" ....wieso eigentlich?

[scope]

Ein abschliessendes Beispiel möchte ich noch nachreichen.  In diesem Fall ist es ein Sony TA-F45 mit Schaltnetzteil.  Hier ist eine SV04s Diode für die Kompensation zuständig. In diesem Fall sieht die Kurve anders aus. Untersucht man 10 Verstärker, wird man stets irgendwo zwischen dem Verhalten der beiden gezeigten Geräte liegen. Mal etwas steiler, mal etwas flacher im Verlauf.

Beim Sony fliessen 50 mA Ruhestrom, was über den 0,33R MPC ca. 16 mV bedeutet.

Das sieht dann so aus. In Sekunde 30 wurde wieder kalt  eingeschaltet. Auch nach 30 Minuten bleiben die 16 mV  im Bereich +/- 1 mV konstant. Zumindest ohne Signal. Läuft das Gerät heiss, wird der Bias mitunter auf Werte deutlich unter 50 mA fallen.





Der Bias ist bekanntlich dafür da, damit das Gerät besonders bei sehr kleinen Signalpegeln im A-Betrieb läuft, und es nicht zu Übernahmeverzerrungen kommt, die besonders bei sehr kleinen  Signalpegeln stören können, weil dann das Größenverhältnis dieser Störungen zum Signalpegel besonders ungünstig ausfällt. Daher wurde die nächste Messung mit nur 100 Milliwatt in eine 8 Ohm Last gemessen.
Würde man die Verstärker ohne eine über alles Gegenkopplung konzipieren, würde ein fehlender oder falscher Bias  wesentlich deutlichere Spuren hinterlassen . Aber so sind nunmal über 99% aller Geräte gebaut, und deswegen kann man die folgende Messung auch auf sogut wie jeden handelsüblichen AB Verstärker übertragen. Zumindest Grundsätzlich und im Bereich dieser Größenordnungen.

Wieder geht die X-Achse über 15 Minuten. Diesmal wird aber THD&N gemessen. Also Klirr + Brummen + Rauschen. Wieder wird das Gerät nach 30 Sek. eingeschaltet (Kalt).
Wie man sieht, stellt sich ab der ersten Sekunde ein stabiler Wert von 0,048% ein.

Ab Sekunde 750 habe ich den Bias komplett deaktiviert. von 50 mA auf "null".  Es fliesst dann kein Ruhestrom mehr. Ab Sekunde 800 wurde der Bias dann wieder auf nurnoch  20 mA erhöht, ohne negative Folgen.  

[RetroFelix]

Nach der alten DIN45500 hätte der Verstärker sogar ganz ohne BIAS bestanden :-)...oder sehe ich das falsch? Dort galt ja ein maximaler Klirr von 1%.

[scope]

Das erreicht er auch  ohne Ruhestrom mit Leichtigkeit über den gesamten Leistungsbereich. Also von 10 Milliwatt bis Clipping bleibt THD&N unter  0,3%. Die Oberwellen, die in diesem Fall für die 0,2% THD&N verantwortlich sind, liegen deutlich ausserhalb des NF-Bereiches. Hätte ich bei der Messung die Bandbreite von über einem halben MHz auf 22 KHz reduziert, wäre bei diesem Gerät und in dieser Darstellung fast garnichts zu sehen gewesen. Die Gegenkopplung bügelt das meiste  aus.

Auf dem Foto kann man die Übernahmeverzerrung ohne Ruhestrom gut erkennen, wenn man den Bereich entsprechend "einzoomt". Zusätzlich zum sichtbaren "Versatz" tritt hier auch  Oszillation (HF) auf. Alles in allem aber nur ca. 0,2%. Ein Gerät das sich so verhält, hat technisch betrachtet bereits ein sehr deutliches Problem.



Ich habe die Stelle etwas nach oben verschoben, damit sie aus der Rasterung kommt.

Ich behaupte aber, dass das gerade unter normalen Hörbedingungen von den allerwenigsten bemerkt werden kann. Ich würde sogar soweit gehen, dass das sogut wie niemand bemerken würde. In privat durchgeführten Blindtests habe ich einen Verstärker so präpariert, dass er mit einer Fernbedienung afair  um 0,4% Übernahmeverzerrung erreicht.
Da die Testhörer m.E. sogut wie nie wissen, welches Musikmaterial besonders kritisch (also geeignet) wäre, um den vorher bekanntgegebenen Fehler zu bemerken, gab es in meinem kleinen Kreis bislang  auch noch niemanden, der das meistern konnte. 

Es kam auch nicht selten vor, dass man mir teure Endverstärker  brachte, die besonders gut klingen würden, obwoh auf  einem oder beiden Kanälen der Ruhestrom seit Monaten oder Jahren  ausgefallen war.
Ich selbst kann an diesem Verstärker den Zustand (mit oder ohne Ruhestrom) ebenfalls nicht erhören. Um das zu testen verwendet man m.E. vorzugsweise einen guten Kopfhörer, oder aber Nahfeldmonitore. Also den großen Kopfhörer.

[luckyx02]

Wie stehts denn mit der Messung der Gruppenlaufzeit ? Was gibts denn da so an Messgeräten ?

https://de.wikipedia.org/wiki/Gruppenlaufzeit

Denn du sagst ja was ich höre kann ich auch messen ? Hören tu ich's, aber wie wird's gemessen ?

[scope]

Das bringt jeder UPL UPD und AP (ab 27XX) von Haus ohne jede Option aus mit. Aber warum interessiert DICH sowas? Du hast doch deine ausserordentlich geschulten Ohren.

Was ich aber dennoch versichern kann ist, dass sich die Gruppenlaufzeit nicht nach der Warmlaufphase des Verstärkers verändert.

[luckyx02]

Ist aber klasse wenn man SIEHT was man HÖRT.....

[Theophilus]

Ein Fallbeispiel kann ich auch dazu beisteuern:

Hab mir vor einiger Zeit einen Sansui B-2101 aus der Bucht gefischt und beim VK abgeholt.
45 min später war ich zH und es kam nach dem Anschluss irgendwie keine Freude auf, welche ich beim Kontrolle-Hören beim VK noch hatte. Nach ca 30min schaltete ich ab und ging ins Bett.

Am nächsten Tag sah es aber schon völlig anders aus. Missmutig ging ich an die Endstufe ran, einschalten, Silberpladde in die Laserfräse und... wow! Soooo hatte ich mir das vorgestellt.

Hat jemand eine Idee, woran das gelegen haben kann? ...und kommt mir nicht mit Kopfsache! Mein Six spielte immer schon toll auf. Aufgetrennt an den B 2101 war es zuerst ein klares Downgrade, am Tag danach ein leichtes aber gutes Upgrade an Klangqualität. Leicht klarer/brillanter schwurbel bla bla.

[Goldmakrele]

Einbildung halt.

[Theophilus]

Danke!!! Ich habs gewusst.

[scope]

Hat jemand eine Idee, woran das gelegen haben kann? ...und kommt mir nicht mit Kopfsache!

Kopfsache kann in deinem Fall wohl komplett ausgeschlossen werden. So wissenschaftlich und bedacht wie du da rangegangen bist...