Das in den 60/70er Jahren Gerätehersteller aus dem Vollen schöpften konnten und nicht auf Kosten achten mußten, halte ich für eine Behauptung. Warum wohl sind so viele kleine deutsche Hersteller in der Zeit kaputt gegangen? Sie waren einfach nicht effektiv, haben die Technologieumstellung vom Tonmöbel zum praktischen Gerät oder von der Röhre zur Transistorisierung nicht hinbekommen. Dann war es bald nötig früh Zugriff auf möglichst günstige, möglichst modernste Bauelemente und effektive Produktionsstätten zu haben. Fertigungslöhne begannen eine Rolle zuspielen. Es wurde für die Schaltungsentwickler zunehmend nötig Bauelementeentwicklern oder eigenen BE-Herstellbereichen Vorgaben für die Entwicklung neuer Komponenten zu geben, die dann in neuen Geräten eine Effektivitätssteigerung ermöglichten. Das konnten nicht alle Unternehmen umsetzen, begann auch beim Mangment und manche mußten eben auf die Verfügbarkeit neuer BE und die Veröffentlichung der Applikationen der großen BE-Hersteller warten und dann diese nur noch zusammensetzen, was aber einen wesentlichen terminlichen Nachteil am Markt hatte. Ich erinnere mich noch gut an das Gestöhne, daß die Japaner mit kleinen Fingern alles so klein und billig bauen würden und am Niedergang der deutschen Radioindustrie schuld seien.
Auch sehe ich die Darstellung der projektierten Lebensdauer von Geräten anders. Schon Röhrengeräte wurden, wie jeder weiß, nicht für lange Lebensdauern gebaut. Es gab auch Langlebensdauerröhren, nur waren die deutlich teuer als Konsumer-Typen und kamen so nicht in die normalen Radios und Fernseher, wurden deshalb nicht in dem großen Umfang produziert. Eine normale Lebensdauer der hergestellten Geräte von mehreren Jahren war mMn immer ein Qualitätsanspruch um die Gewährleistungskosten gering und das Image eines Qualitätsherstellers hoch zu halten. Die Zuverlässigkeitsforschung von Bauelementen und Geräten kam erst in den 60er Jahren mit größeren Geräten, -serien und gestiegenen Ansprüchen an die Ausfallsicherheit auf. Für viele Bauelemente gab es bis dahin keine mtbf(mean time between failure)-Werte, weil die Ermittlung solcher Aussagen durch langjährige Auswertung aus den Servicebereichen oder aufwendige BE-Untersuchungen unter härteren Umgebungsbedingungen und natürlich eine Theorie zur Übertragung der so gewonnenen Werte in praktische Anwendungen erforderte. Ein IC mit ein paar dutzend Transistorfunktionen ist nun mal zuverlässiger und billiger wie ein äquivalenter diskreter Aufbau, ein IC mit Keramikgehäuse normalerweise zuverlässiger als einer mir Kunststoffgehäuse.
Aber wovon reden wir eigentlich? Es geht hier um das Wechseln von Elkos, also einer BE-Art in Geräten, die einige Jahrzehnte alt sind. Das heißt, diese Geräte haben jede eventuell mal festgesstellte oder projektierte Lebensdauer seit langem überschritten und stellen nur noch einen sehr kleinen Teil der ehemals produzierten Anzahl ihres Types dar. Erfahrungsgemäß gibt es auffälliges Ausfallverhalten bei Elkos bestimmter Serien und Herstellern, aber alle hier besprochenen Geräte sind schon lange so gut wie scheintot. Die Frage ist mMn nicht, ob man alte Elkos wechseln sollte oder nicht.
Da muß jeder Gerätebesitzer für sich entscheiden, ob ihm der Wechselaufwand für die mögliche Lebensdauerverlängerung des Gerätes das wert ist.
Wer das als zwingend propagiert springt zu kurz, denn neben den Elkos gibt es aber auch noch etliche BE, die erhöhtes Ausfallverhalten vielleicht etwas später als bestimmte Elkos besitzen und durchaus in naher Zukunft eine Reparatur nötig machen können. Neben den genannten auffälligen Dioden und Kondensatoren wären da zuerst
alle Lötstellen zu nennen, dann kontaktbehaftete BE, viele frühe Halbleiterbauelemente und auch bestimmte Widerstände, alternde Keramiken, Kunststoffe usw.
Für die alten Elkos ist die interessante Frage, wann sie nicht mehr ihre Funktion erfüllen können. Wenn man von Gehäuseschäden absieht, gibt es nur die Möglichkeit die Kapazität zu vermessen und zu versuchen eine weitere Veränderung dieser abzuschätzen, wobei letzteres kaum einer hier kann. Das fängt schon mit den ehemaligen Kapazitätswerten zum Einbauzeitpunkt und den Herstellertoleranzen an.
Bedenken sollte man auch, daß viele Halbleiter-BE obsolet sind, vielleicht noch Nachbauten unbekannter Qualität aus C. existieren. Das wird spätestens bei Schaltkreisen in ZF und Demodulation in Tunern und Radios in absehbarer Zeit interessant genau wie es einfach keine speziellen Filter oder Spulenkerne mehr gibt. Teilweise existieren keine Fertigungskapazitäten mehr und die Technologie ist im Lauf der Zeit versandet.
Für mich entscheide die Elkowechselproblematik, wenn überhaupt
, abhängig von den Meßergebnissen einer signifikanten Stückzahl der verbauten BE. Wenn kein defekter gefunden, der in der Regel unter 50% des Kapazitätsnennwerts liegen muß, wird keiner einer unverdächtigen Bauart getauscht.