Das liegt daran, dass das Peaktech 3705 die Kapazität mit Ladepulsen "misst". Wenn aber parasitäre Eigenschaften in grösserem Ausmass aufgrund eines Kondensatordefekts vorhanden sind, ist die so durchgeführte Messung nicht richtig. Ein wesentliches Fehlermerkmal bei Kondensatoren ist dessen Isolationswiderstand, der als parasitärer Parallelwiderstand erfasst werden müsste. Das genannte Peaktech 3705 kann das nicht.
Das Atlas ESR+ (ESR 70) misst ESR nicht wirklich, sondern macht bei ca. 100kHz eine Impedanzmessung. Die Impedanz kann als "ESR" nur dann interpretiert werden, wenn kapazitive Reaktanz, induktive Reaktanz (also die komplexen Widerstände) und parasitärer Parallelwiderstand gegenüber ESR vernachlässigbar klein sind. Kapazitive Reaktanz ist erst für Kapazitäten von 1µF oder mehr klein genug, damit man die Impedanz angenähert als "ESR" interpretieren darf. Deshalb beginnt der zugelassene Kapazitätswert beim Atlas ESR+ ja auch erst bei 1µF (das gilt z.B. genauso für das ELV ESR 1). Auch hier würde ein parasitärer Parallelwiderstand die Messung verfälschen, dieser kann mit diesem Gerät auch nicht erfasst werden.
Grundsätzlich gilt, dass bei allen "einfachen" Messgeräten (Multimeter, Kapazitätsmessgeräte, Transistor- (Bauteile)-Tester), die Ladekurven/Entladekurven auswerten, ESR aus Impulsantwort oder Impedanz ableiten, nur fehlerfreie Kondensatoren mehr oder weniger korrekt messen können. Der oft beobachtete Fall ist, dass (teil-)defekte Kondensatoren, die einen Isolationsfehler ("Leckstrom") aufweisen, in Messgeräten, die Lade-/Entladezeit auswerten eine viel zu grosse (falsche) Kapazitätsanzeige verursachen. Teilweise wird fälschlich eine bis doppelt so grosse Kapazität "gemessen", wenn der Kondensator Leckstrom-behaftet ist. Die gelegentlich geäusserte Folgerung, ein Kondensator sei noch "gut", denn die Kapazität sei sogar noch 50% über dem Nennwert, muss mit Vorsicht betrachtet werden. Ohne zusätzliche Kenntnis von Leckstrom/Isolationswiderstand kann man von einer angezeigten Kapazität allein nicht sicher auf den Gesundheitszustand eines Kondensators schliessen.
Im vorliegenden Fall ist offensichtlich ein Isolationsfehler bei dem betreffenden Elko vorhanden ("Gleichstromattacke"). Gerade Tantalkondensatoren haben gerne mal einen Feinschluss. Ein Messgerät, das den parasitären Parallelwiderstand erkennt und anzeigt, wie eine RLC- Messbrücken (z.B. DE-5000, Digital Bridge XJW01 und andere RLC-Brücken), wird auch solche Fehler deutlich machen und in diesem Fall höchstwahrscheinlich auch eine niedrigere Kapazität messen als die anderen für solche Fälle nicht geeigneten Geräte.
Bei Kapazitäten bis 1 µF kann man den Isolationswiderstand (bzw. Leckstrom) bei Nennspannung des Kondensators mit einem Isotest 6a (o.ä.) zum Selbstbau messsen, er muss > 200 MOhm sein:
http://www.radio-ghe.com/neuetechnik/ISOTEST_6a.HTM
Bei grösseren Kapazitäten geht das leider damit nicht, da Nennspannung bis 500V bereitgestellt wird (z.B. für Prüfung von Kondensatoren in Röhren-Elektronik). Deshalb muss der Prüfstrom (der den Kondensator auflädt) auf einen "sicheren" sehr kleinen Wert begrenzt sein. Die Ladezeiten für Kondensatoren grösserer Kapazität würde unendlich lang. Für grössere Kondensatoren benötigt man dafür geeignete Isolationstester und muss deshalb mit der Benutzung/Sicherheitsanforderungen vertraut sein, denn an den Prüfspitzen können ggf. sehr hohe Spannungen anliegen, sofern diese für Spannungen bis 1200V o.ä. ausgelegt sind. Deshalb ist ein anderes verfahren vorzuziehen:
Zur experimentellen Bestimmung des Isolationswertes wird der Kondensator auf seinen Nennspannungswert aufgeladen. Er bleibt dann mit offenen Anschlüssen eine bestimmte Zeit liegen. Nach dieser Zeit wird mit einem Spannungsmessgerät mit sehr hohem Innenwiderstand (Ri > 10 MΩ, bevorzugt >40 MOhm) die noch im Kondensator gespeicherte Ladung als Restspannung gemessen. Aus dieser Messung können der Isolationswert und der Isolationswiderstand errechnet werden (Entlade-/ Zeit- Kurve eines Kondensators der gemessenen Kapazität C an einem zu bestimmenden Widerstand R).
Praktisch sind die preiswerten (< 10 €) "Transistortester" (Komponententester) auf der Basis AVR-Mikrocontroller, die eine grosse Vielfalt an aktiven und passiven Bauelementen testen können. Bei Kondensatoren zeigen sie ein "VLoss" an, das zwar keinem definierten Wert eines Leckstroms direkt zugeordnet ist, aber sehr gute Einschätzung erlaubt. Ein VLoss von mehreren % ist immer indikativ für einen Kondensator mit fehlerhaftem Isolationswiderstand.
Gruß
Reinhard