(17.09.2022, 16:11)Frank62 schrieb: [ -> ]Jedoch zeigten die damaligen Tests auch das Dilemma des Gerätes auf.
Ohne Messtechnik ist er nur ein Spielzeug
Wie alle EQs. Gemäss Namen waren die Geräte ursprünglich dafür konzipiert, Frequenzen anzugleichen (also lineare Verzerrungen auszumerzen) und nicht wirklich für Effekte. Ohne Messgerät geht deshalb gar nichts.
Der SH-9010 ist richtig gut; besser als manch anderer EQ der Hifi-Szene. Vier Bänder tönt nicht nach viel, aber da sie vollparametrisch sind, kann man die allergrössten Raummoden – und damit über den Daumen gepeilt 80% der Nichtlinearitäten – kompensieren.
Graphische EQs (also wie z.B. der Yamaha oben oder der von mir genannte SH-8065) können schon auch ein brauchbarer Kompromiss für zuhause sein, aber auch nur, wenn sie viele Bänder haben. Geräte mit z.B. 2x12 Bändern sind Spielzeug.
Bezüglich eigentlicher Messung ist der Aufbau i.d.R. immer derselbe. Unabhängig der Art und Weise nimmt man hierzu ein spezielles Einmessmikrophon, welches einen möglichst linearen (oder zumindest bekannten) Frequenzgang besitzt und omnidirektional ist (also keine Richtcharakteristik aufweist). Dieses platziert man am Hörplatz auf Ohrhöhe.
Beim für die Messung verwendeten Signal hingegen gibt's verschiedene Philosophien. Die einfachste Variante ist die Messung mit weissem (Signal mit allen Frequenzen gleichzeitig und gleich laut) oder rosa (alle Frequenzen, aber mit abnehmender Amplitude je höher die Frequenz) Rauschen. Einige consumer-EQs bieten rosa Rauschgeneratoren an; von Technics gibt's hier z.B. den SH-8055 und SH-8066. Der Vorteil dieser Methode ist primär, dass sie schnell ist: man bekommt die Abweichung aller Frequenzen auf einen Schlag. Wirklich genau ist sowas aber nicht.
Eine zweite Methode ist es, einen Chirp (Signal mit linearem oder logarithmischem Frequenzanstieg über das gesamte Spektrum) laufen zu lassen; das bieten viele softwarebasierte Einmessprogramme an. Ein Problem bei solchen Messungen (und vor allem statischen Frequenzen) können stehende Wellen sein, also Schall, der sich aufgrund Reflektion entweder aufsummiert oder eliminiert (je nach Phase des rückgestreuten Signals). Das kann die Messung massiv verfälschen. Deshalb werden manche Messungen mit einem gewobbelten Signal durchgeführt: man nimmt die zu messende Frequenz als Basis und moduliert sie periodisch um ein paar Hertz hoch und runter. Gemittelt ergibt sich dann eine zwar weniger präzise ("scharfe"), dafür genauere Messung, da sich ausgestrahlte und rückgeworfene Wellen durch die ständige Frequenzmodulation kaum mehr auslöschen können. Das macht z.B. der oben genannte SH-8000.
Unabhängig von der Messmethode ist die Kompensation dann vergleichsweise trivial: man stellt die Filter möglichst gemäss dem invertierten, gemessenen Signal ein.
Bringt das etwas? Absolut; ein Tonstudio ohne Raumeinmessung darf sich wohl kaum so nennen, und für zuhause kann sowas auch äusserst sinnvoll sein. AV-Receiver kommen standardmässig mit einer Art Raumeinmessung, die ist dort essentiel u.a. für korrektes Timing aufgrund des Distanzversatzes der Surround-Lautsprecher. In der Stereo-Welt spielt das keine Rolle, wenn ein Stereodreieck vorhanden ist, aber Raummoden werden zuhause immer da sein. Warum setzt sich das dann zuhause so schwer durch? Vermutlich sind hier verschiedene Faktoren im Spiel: Hifi-Puristen verschmähen jegliche Frequenzmodulation, selbst wenn sie zielführend ist; lineare Frequenzgänge sind gar nicht immer erwünscht. Deshalb muss man oft zu PA greifen, wo berufsbedingt sinnvoll gedacht wird. Siehe die von Sebastian verlinkte Behringer-Lösung oben; eine sehr gute Wahl auch für zuhause (wenn man den scheusslichen Kasten verstecken kann

).
Noch ein letzter Kommentar zum Nutzen von Frequenzkorrektur: wie gesagt ist sie immens sinnvoll und je nach Umgebung kaum abdingbar. Überbewerten darf man sie jedoch auch nicht. Einerseits dient sie nur zur Kompensation von "Missständen" im Hörraum, bedingt durch die Raumgeometrie, -Grösse und Ausstattung. Bevor man sich teures Equipment zulegt, sollte man deshalb besser den Raum selbst optimieren. Das kann massive Konsequenzen haben. Ich hatte vor Jahren z.B. mal eine Überhöhung von satten 10 dB (also dreimal so laut wie die Norm) im Bereich von 40 Hz gemessen, und eine fast so grosse Senke im 50 Hz-Bereich. Typische Raummode. Jahre später hatte ich die Messung wiederholt, aber mit etwas umgestelltem Mobiliar – da waren die Effekte präzise vertauscht (50 Hz-Überhöhung und 40 Hz-Senke). Bei zu grossen Moden kann auch das beste Equipment nicht mehr helfen (+15 dB mit einem EQ korrigieren? Bose 901 lässt grüssen). Der Raum lässt sich durch Umstellung der Einrichtung und präzise angebrachter Dämpfer sowie Resonatoren optimieren. Auch da gibt's verschiedene Konzepte: "dead end" (also schallschluckende Wand) hinter den Lautsprechern, "live end" hinter der Hörposition; beides als "dead end" gibt's auch. Idealerweise hat der Raum auch keinen rechteckigen Querschnitt, sondern z.B. ein gestrecktes Pentagramm. Erneut der Grundsatz: mit da und dort mal Schaumstoff anbringen hat sich's nicht getan; richtige Raumoptimierung ist Profi-Angelegenheit. Aber wer ein gutes Messmikro, einen guten Tongenerator und ein gutes Interface (Soundkarten sind notorisch nichtlinear) hat, kann durch Messen, Experimentieren und Umstellen schon viel rausholen und den Rest mehr als gut genug mit einem EQ weiter kompensieren. Wir brauchen ja kein Tonstudio in der Stube.
